„Musicals sind keine Mode“

■ Hamburg: Private Kultur-Investoren wollen Platz für viertes Musical

Die Titanic möge untergehen. Seinetwegen auch als gleichnamiges Musical und in einem neuen Operetten-Theater am Berliner Tor. Doch der Untergang der Hamburger Kulturszene stehe nicht zu befürchten, beschwichtigt Kulturbehörden-Sprecher Ingo Mix, auch nicht aufgrund der neuesten Musical-Planungen im Stadtteil St. Georg: Auf dem Parkplatz am Berliner Tor/Lübeckertordamm könnte schon 1998 ein neues Musicaltheater mit 1.500 Plätzen entstehen. Es wäre das vierte in Hamburg nach Cats, Phantom der Oper und Buddy Holly.

„Wir haben eine Offerte vorliegen über den Untergang der Titanic“, bestätigte gestern der Geschäftsführer der Hamburger Immobiliengesellschaft Hanseatica, Dietrich von Stemm, Presseberichte. Ob das Theater aber tatsächlich gebaut werde, stehe in den Sternen. Denn das Musical sei bloß „eine Option“für die künftige Nutzung des städtischen Grundstücks; genauso gut möglich seien ein Hotel, Gewerbe oder eine Schwimmhalle.

Fakt ist dagegen: Die benachbarte Fachhochschule braucht dringend mehr Platz. Zu diesem Zweck will die Stadt ihren Parkplatz verkaufen. Und zwar mit der Auflage, daß die FH-Erweiterung teilfinanziert wird durch die Gewinne einer zusätzlichen „Mantel-Bebauung“: Diese wird in jedem Fall aus einem Studentenwohnheim mit 150 Plätzen bestehen – und eben möglicherweise dem neuen Musical.

Den vorausgegangenen Investoren-Wettbewerb hat das Firmenkonsortium Hanseatica/Siemens AG gewonnen. „Darüber hinaus ist absolut gar nichts entschieden“, tobt Hamburgs Oberbaudirektor Egbert Kossak (SPD) über die „gackernden Enten, die die Presse schon wieder losläßt“. Am Dienstag muß zunächst der Senat darüber befinden, ob überhaupt die FH-Erweiterung privatwirtschaftlich finanziert werden soll. Ob die Menschen in St. Georg auf die Konsumbühne mit ähnlich heftigem Protest reagieren werden wie seinerseits Schanze und St. Pauli auf das Phantom der Oper, bleibt abzuwarten. Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow (SPD) schwebt ohnehin die Aufwertung des „Schmuddelviertels“St. Georg vor. Ob außer Transrapid-Haltestelle, neuen Büros und sanierten Häusern auch ein Musical dazu beitragen soll, blieb gestern offen.

Unterdessen sieht die Stella Musical Management GmbH (Cats, Phantom der Oper) der drohenden Konkurrenz „gelassen entgegen“. Der Erfolg eines Musicals sei nicht nur vom Standort abhängig, sondern auch von seiner Vertriebsstruktur und Werbung, sagt Stella-Sprecher Steffen Ball. Die „Titanic“sei gerade erst in New York uraufgeführt worden; damit sei das „Akzeptanz-Risiko beim Publikum“höher als beispielsweise bei Cats, was seit Jahren als Kassenschlager Millionen an die Reeperbahn zieht. Ein viertes Musical in Hamburg könne sich generell aber wohl tragen, ohne daß die drei bestehenden große Einbußen zu fürchten hätten: „Unsere Kunden kommen inzwischen aus dem ganzen Bundesgebiet.“

Und auch das in Bremen geplante Musical „Dr. Jeckyll and Mr. Hyde“wird aus Sicht der Musical-Betreiber – verständlicherweise – keineswegs als Überstrapazierung der norddeutschen Kulturszene mit seichtem Singsang allerorten gewertet. Im Gegenteil: „Musicals sind keine Mode mehr, sondern haben sich fest auf dem Freizeitmarkt etabliert, wenn sie gut sind“, zitiert Ball aus seinen Marktanalysen.

Heike Haarhoff