„Den Mann ein wenig inhaftieren!“

■ Ein Zentrum der Exilliteratur: Bremerhavener Kunsthalle erinnert mit einer umfangreichen und lesefreundlichen Ausstellung an den Querido-Verlag und seinen Gründer Fritz Helmut Landshoff

„Er ist eine der ganz großen deutschen Verleger-Persönlichkeiten in diesem Jahrhundert.“Der Literaturwissenschaftler und renommierte Exilforscher Hans Albert Walter spricht von Fritz Helmut Landshoff (1901-1988), dessen beispielhafte verlegerische Arbeit zwischen 1933 und 1950 ab heute in einer Ausstellung in der Bremerhavener Kunsthalle umfassend und in dieser Form erstmals dokumentiert wird.

Landshoff erhielt 1933 eine Anfrage des niederländischen Verlegers Emanuel Querido aus Amsterdam, ob er interessiert sei, „eine deutschsprachige Abteilung für in Deutschland verbotene oder unerwünschte Autoren zu gründen“. Landshoff, der in Berlin den Gustav-Kiepenheuer-Verlag geleitet hatte, sagte zu. Unter dem Signet Querido erschienen von 1933 bis 1940 sowie von 1946 bis 1950 etwas mehr als 100 Bücher von fast 50 AutorInnen, die als die repräsentativen Namen der deutschen Exilliteratur gelten können. „Energisches Zupacken, ein fast atemberaubendes Tempo, umsichtiges Planen“, schreibt Walter im Ausstellungskatalog, seien für Landshoff charakteristisch gewesen. Als er im Sommer 1933 mit seinem Programm startete, hatte er schon rund ein Dutzend AutorInnen zur Mitarbeit gewonnen, darunter Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann, Gustav Regler, Ernst Toller, Anna Seghers und Arnold Zweig.

Von Anfang an dabei war auch Klaus Mann, der ab September 1933 zwei Jahre lang als „Visitenkarte des Verlags“die Zeitschrift „Die Sammlung“herausgab. Schon das erste Heft spaltete das literarische Exil. Weil das Heft zu politisch ausgefallen war, sagten viele AutorInnen ihre Mitarbeit wieder ab. Ödon von Horvath wollte „an keiner Zeitschrift mehr mitarbeiten, die sich mit Politik beschäftigt“. Thomas Mann schrieb einen Brief an den „lieben“Sohn, der im Original in der Kunsthalle ausliegt: „Ich habe Bermann bestätigen müssen, daß Charakter erste Nummer ,Sammlung' ihrem ursprünglichen Programm nicht entspricht.“Thomas Manns Verleger Gottfried Bermann Fischer versuchte zunächst, den Fischer-Verlag in der NS-Diktatur weiterzuführen. Er wollte seinen Star-Autor in einem deutschen Verlag halten und warnte deshalb vor einer Annäherung an Querido. Auf Seiten der Nazis attackierte der Dramatiker Hans Johst die „Sammlung“. Er schrieb an Heinrich Himmler: „Könnte man nicht Herrn Thomas Mann, München, für seinen Sohn ein wenig inhaftieren? Seine geistige Produktion würde ja durch eine Herbstfrische in Dachau nicht leiden.“

Im sorgfältig gestalteten und in der Schriftenreihe des Marbacher Literatur-Archivs erschienenen Katalog beschreibt Walter detailliert die Entwicklung des Verlages. Obwohl das Verlagsarchiv im Krieg vollständig vernichtet wurde, kann er aus Briefen zwischen Verleger und AutorInnen einen Einblick in Kalkulationen, Auflagenhöhen und Tantiemen geben. Zu den Bestsellern des Querido-Verlages gehörten Vicky Baum und Jakob Wassermann, zu den Ladenhütern Leonard Frank und Ernst Weiss.

Die Bremerhavener Ausstellung präsentiert in lesefreundlichen Vitrinen fast alle Titel des Verlags in ihren Originalumschlägen. Dazu gesellen sich Briefe, Verlagsprospekte und Rezensionen. Da setzt sich Fritz Landshoff mehrfach sehr kritisch mit dem Freund Klaus Mann auseinander. Zur Dezember-Ausgabe der „Sammlung“schreibt er am 29.11.1933: „Das Heft finde ich sehr schlecht. Die Wechselbäder, die wir unseren Lesern machen, müssen den stärksten Mann auf Dauer umwerfen.“Handschriftlich setzt er hinzu: „Am Ende wirst Du mir noch hörig über den Brief. Das wäre furchtbar, weil ich dir doch hörig bin.“Nicht sonderlich einverstanden ist er auch mit Klaus Manns bis heute meistgelesenem Roman „Mephisto“. „Trifft das Buch ins Zentrum?“, fragt er den Autor 1936. Die satirischen Hitler-Goebbels-Szenen hält er für mißlungen, das Schicksal des an Gründgens angelehnten Haupthelden ist ihm zu individuell. Sein Einwand: „Mit diesem Karrieristen sollte ja eine ganze Kategorie von Menschen getroffen werden, ...es ist aber doch ein sehr privates Buch.“Daß antifaschistische AutorInnen vor Lobeshymnen auf Stalin nicht gefeit waren, zeigt eine Rezension, die Ernst Bloch zu Lion Feuchtwangers Reisebericht „Moskau 1937“verfaßte: „Leibhaftig erscheint der Mann, nüchtern, wirklich und groß.“

Gleich nach Kriegsende versucht Landshoff, den nach dem Einmarsch der Deutschen 1940 geschlossenen Verlag in Amsterdam wieder neu zu begründen. Zwar gab es kein Papier zum Drucken, aber viele Rohbogen der Vorkriegsjahre waren vor der Vernichtung gerettet worden. Trotzdem hatte der Verlag keine Zukunft mehr. Deutschland fiel bis zur Währungsreform als Absatzmarkt aus, der Verkauf außerhalb Deutschlands war praktisch zum Erliegen gekommen. 1948 erschien ein Buch, das erst 20 Jahre später Furore machen sollte: Adornos und Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“. Dem Mitstreiter Klaus Mann, der im Frühjahr 1949 aus dem Leben schied, war das letzte Querido-Buch gewidmet: „Klaus Mann zum Gedächtnis“erschien 1950, als es den deutschen Querido-Verlag nicht mehr gab. Dessen Bedeutung hatte Klaus Mann schon früh, 1938 im New Yorker Exil, seinem amerikanischen Publikum vorgestellt: „Landshoff hat aus dem deutschen Querido-Verlag innerhalb von wenigen Jahren ein Institut von internationalem Ruf, eines der ersten europäischen Verlagshäuser gemacht.“ Hans Happel

Kunsthalle Bremerhaven: „Fritz H. Landshoff und der Querido-Verlag 1933 bis 1950“; 3. Mai bis 7. Juni täglich von 10 bis 18 Uhr; Katalogbuch 18 Mark