Bescheidener Aufsteiger

Sensationsfinalist Baskets Bonn versucht vor den Endspielen gegen Alba Berlin den rheinischen Frohsinn nicht zum Größenwahn werden zu lassen  ■ Von Ulrich Loke

Sollte es Arvid Kramer einmal an Sportwäsche mangeln, hängt für ihn in der Bonner Hardtberghalle immer ein Trikot bereit. Unter der Hallendecke, in 20 Meter Höhe, baumelt ein schwarzes Basketballhemd mit der Nummer sechs an einem Kleiderbügel. Als ständige Erinnerung an sportliche Erfolge unter Kramers maßgeblicher Mithilfe wurde das Hemd zum 40. Geburtstag des Bundesliga-Methusalems gehißt. Wenn Kramer nicht selbst Hand an den Basketball legt, lenkt er als Sportmanager die Geschicke der Telekom Baskets Bonn. Dieser Aufgabe wird er sich nach der Saison ausschließlich widmen, denn dann ist Feierabend für Kramer in der Bundesliga. Die Finalspiele um die deutsche Meisterschaft gegen Alba Berlin empfindet er als „Krönung für die Stadt, die Fans und für mich“.

Das will was heißen nach einer so bewegten Karriere, die Kramer aus den USA, wo er 1980 eine halbe NBA-Saison für die Denver Nuggets spielte, über Italien und Frankreich nach Deutschland führte, zunächst nach Leverkusen. In Bonn ist er jetzt seit neun Jahren und hat hautnah eine geschickte Verkettung von Vereinsfusionen miterlebt, bis vor zwei Jahren Fortuna Bonn und der Godesberger TV zu den Baskets verschmolzen.

Im Laufe der Bundesliga-Saison sorgten die Baskets als Aufsteiger dafür, daß das Sportpublikum in und um Bonn weiß, wohin mit seiner Begeisterung, denn das übrige spitzensportliche Angebot ist spärlich. Die Bonner Basketballer leisteten sich angesichts dieses Mangels den Luxus und wechselten von der schnöden Turnhalle in Bad Godesberg in die dreimal größere Hardtberghalle. Der Umzug war anfangs von eigener Skepsis begleitet, erwies sich jedoch als goldener Griff. Im Laufe der Saison wurde die neue Spielstätte zum zukunftsträchtigen Wirtschaftsfaktor, mit dessen Hilfe auch der plötzliche Ausfall der 70.000 Mark des Liga-Sponsors kompensiert werden konnte. Bei einem Saisonetat von 1,7 Millionen Mark liegt der Zuschauerschnitt weit über 3.000 pro Spiel, nur Alba Berlin überflügelt Bonn in dieser Beziehung. Daß die neue Halle von den Fans angenommen worden sei, stelle den „eigentlichen Erfolg dieser Saison dar“, sagt Wolfgang Wiedlich, Bundesliga-Abteilungsleiter bei den Baskets. Der Boom fordert alle organisatorischen Kräfte. Der Vorverkauf der 4.100 Karten für das Play-off zu Hause gegen Berlin beginnt erst zwei Tage vor dem Spiel, eine Sicherheitsmaßnahme „wegen der Fälscher“, die sich beim Viertelfinale gegen den Nachbarn Röhndorf erstmals mit Tickets aus eigener Herstellung Eingang verschafften.

Morgen, zum ersten Finalspiel, werden 744 Enthusiasten einen Sonderzug Richtung Osten besteigen. Sie dürften im Moment die einzigen Bonner sein, die gern nach Berlin fahren. Eine Woche darauf, beim erneuten Spiel in Berlin, sollen dann zwei Sonderzüge auf die Schiene gebracht werden. Ob das beauftragte privatisierte Fuhrunternehmen es schaffen wird, dieser sprunghaften Nachfrage zu genügen? Die Bonner Basketballfreunde haben da ihre Zweifel. Offensichtlich überfordert der unvorhergesehene Erfolg nicht nur das Faxgerät auf der Geschäftsstelle, das über Nacht nur noch weiße Papierfahnen ausspuckt, weil der Druckpatrone angesichts der exorbitanten Kartennachfrage der Saft ausgeht.

Das Fundament für die Bonner Qualitätsarbeit legte Trainer Bruno Soce. Dem Kroaten eilt die Philosophie voraus, daß Basketballspiele in der Defensive gewonnen werden. Das verbindet ihn mit Berlins Coach Svetislav Pesic, Freund und Trauzeuge. Was die hartgesottene Einstellung des Trainers für die Spieler bedeutet, läßt sich an einem Soce-Zitat ermessen, das nach dem entscheidenden Sieg in den Halbfinals gegen Bamberg überliefert wurde: „In den letzten 270 Tagen haben wir über 400 Trainingseinheiten abgehalten und dabei sehr hart an unseren Schwächen gearbeitet.“ Nur einer nicht: Oldie Kramer. „Ich habe eine Ausnahmeregelung“, sagt er, „ich trainiere oft, aber nicht immer.“

Dafür will er an entscheidender Stelle die Weichen für eine verheißungsvolle Zukunft stellen. „Wir sind ein Verein, der auf dem Weg nach oben ist“, beschreibt Kramer den Stand der Dinge und verdeutlicht damit gleichzeitig den Unterschied zu Alba Berlin und Bayer Leverkusen. Mit diesen zwei Konkurrenten könne man sich vielleicht in zwei Jahren vergleichen, wenn kontinuierlich weiter „hart gearbeitet“ werde. Im Moment ist Bonn also noch ein bescheidener Herausforderer für Berlin. Die Final-Euphorie im Umfeld soll nicht die Grundlage für unrealistische Ziele in der kommenden Saison bilden. „Step by step“ wolle man sich weiterentwickeln, sagt Wolfgang Wiedlich, „keine Stars kaufen und Teamspirit bewahren“. Der Verein soll „nicht übermorgen in die Fußstapfen von Alba Berlin treten“, auch wenn die Teilnahme am europäischen Korac-Cup, den Berlin 1995 gewann, auf dem Programm steht. „Wir sind nicht größenwahnsinnig, bei allem rheinischen Frohsinn.“