Das Portrait
: Der Melancholiker unter den Assen

■ Michael Stich

Michael Stich, Tennisspieler, tritt zum Herbst ab Foto: AP

Beim Deutschen Tennis- Bund ahnte man es, die Eltern wußten es schon einige Wochen: Michael Stich wird sich im Herbst aus dem Geschäftsbetrieb seiner Sportart zurückziehen. Sein letztes Spiel als Tennisprofi will er im deutschen Daviscup- Team gegen Mexiko vom 19. bis 21. September bestreiten. Der gebürtige Pinneberger (28) zog nun die Konsequenzen aus seiner durch eine Schulterverletzung bedingten sportlichen Talfahrt.

Typisch Stich: Sein Abschied wird kaum Emotionen in der Tennisgemeinde hervorrufen. Mit dem schlaksigen, immer etwas melancholisch wirkenden Steuerösterreicher verbindet sich eine Sport- und Berufsauffassung, die unverhüllt daran erinnerte, daß die ehemalige Nummer drei der Weltrangliste aus dem gehobenen Angestelltenmilieu des Hamburger Bungalowumlandes stammt. Was zähle, meinte der Norddeutsche, sei der Sieg, nicht das Fest.

Technisch spielte Stich Tennis auf feinstem Niveau. Seine Schläge schienen mathematisch präzise vorausberechnet, sein Händchen, gerade beim Netzspiel, funktionierte genial.

Doch im Gegensatz zu Boris Becker, der seine Landsleute mit Blut-, Schweiß- und Tränenoperetten verwöhnte und den weißen Sport zur Kampfarena machte, wirkte Stich immer wie ein leitender Angestellter, der nie vergessen hat, daß der Weg nach unten hart sein könnte und der nach oben nur mit guten Manieren erreicht werden kann: ein Phantom der Tennisoper. Von ihm gingen keine „Funken“ aus, resümierte der Stern ernüchtert.

Pech für den Schleswig- Holsteiner: Er war immer, wie die Deutschen sind, Boris Becker hingegen, wie sie sein möchten. Zehn Jahre lang tingelte Stich von Turnier zu Turnier. Selbst heute sieht er mit seinen dünnen Beinchen aus wie ein pubertierender Schlaks mit einer Tendenz zum Selbstmitleid, wenn die Partie gegen ihn steht. Legendäre Matchs von Becker sind überliefert, solche von Stich nicht. Bis auf eines – das war 1991. Damals fegte er Boris Becker aus dessen „Wohnzimmer“, dem Centre Court von Wimbledon.

Während seiner zehnjährigen Karriere als Tennisprofi gewann „Maikel Stitsch“ (wie er in den USA genannt wird) 18 Einzel- und neun Doppeltitel. Der Mann hat im übrigen ausgesorgt: Zusammen mit Gattin Jessica Stockmann darf er auf einem Polster von geschätzt 30 Millionen Mark ruhen. Arne Fohlin