Schmierspur nach Deutschland?

Beim Aufkauf der Minol-Tankstellen in den neuen Ländern soll Frankreichs Ölkonzern Elf mit Korruptionsgeldern nachgeholfen haben. CDU und Staatsanwalt dementieren  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Je tiefer Eva Joly bohrt, desto schmieriger wird die Geschichte, an der die Untersuchungsrichterin seit Jahren arbeitet. Auf der Suche nach den verschwundenen Millionen aus dem französischen Ölkonzern Elf soll Joly jetzt auch eine Fährte nach Deutschland – angeblich in die Parteikassen der CDU – gefunden haben. Das schreiben weiterhin mehrere französische Zeitungen – völlig unbeirrt von den scharfen Dementis aus Bonn und von der Pariser Staatsanwaltschaft.

Wieviel Schmiergeld nach Deutschland gelangte, ist umstritten – in der Boulevardzeitung Le Parisien ist von rund 13 Millionen Mark die Rede, in der Wochenzeitung Canard Enchaine von 230 Millionen Mark. Auf welchen Wegen das Geld geflossen sein soll, ist ebenfalls nebulös. Ohne ihre Quellen zu nennen, berichten die französischen Medien lediglich von dem Konto eines Vermittler in Liechtenstein, von wo aus das Geld weitergegangen sein soll.

Anlaß und Auslöser für den massiven Schmiergeldtransfer soll der spektakuläre Aufkauf der 940 Minol-Tankstellen in Ostdeutschland im Jahr 1992 gewesen sein. Gegen die Konkurrenz der britischen BP bekamm Elf damals bei der Treuhand den Zuschlag für das dichteste Tankstellennetz in den neuen Bundesländern. Neben dem Aus- und Aufbau eines modernen Netzes versprach Elf den Bau einer neuen Raffinerie bei Leuna. Begründet wurde die bis dato größte französische Investition in Deutschland mit dem Wunsch des damaligen Präsidenten François Mitterrand nach einem Standbein in Ostdeutschland und nach einer Beteiligung am dortigen wirtschaftlichen Wiederaufbau – speziell mit der Schaffung von 6.000 Arbeitsplätzen in der geplanten teuersten und modernsten Raffinerie der Welt.

Bis es dazu kam, sollten jedoch mehrere Jahre vergehen und sogar eine kleine diplomatische Krise auf Spitzenebene zwischen Bonn und Paris nötig sein. Anfang 1994 verlangte Bundeskanzler Kohl ultimativ die Einlösung des Raffinerie-Versprechens. Der neue Elf- Präsident Jaffré, dem das Engagement seines Vorgängers Le Floch- Prigent überdimensioniert und überteuert erschien, mußte einwilligen und die Baustelle eröffnen.

Gleichzeitig liefen in Paris die Ermittlungen gegen die Elf-Zentrale auf Hochtouren. Nachdem der einstige Elf-Chef Le Floch-Prigent unter anderem wegen des Verdachts auf persönliche Vorteilsnahme in Millionenhöhe sechs Monate lang in Untersuchungshaft gesessen hatte, erweiterte Richterin Eva Joly ihre Untersuchungen auf einen großen Kreis einstiger Spitzenmitarbeiter des Konzerns.

Unter anderem richtete sich ihr Augenmerk auf André Tarallo, dessen hübsche Villa auf Korsika und Wohnungen in Paris und Genf über dubiose Schweizer Konten, auf die Elf Millionen überwies, finanziert worden sein sollen. Der heute 70jährige Tarallo war nicht nur der „Monsieur Afrique“ von Elf, der die Beziehungen zu afrikanischen Staatsoberhäuptern pflegte und heute noch etwa Omar Bongo in Gabun persönlich berät. Tarallo ist zugleich seit Schulzeiten ein Vertrauter von Staatspräsident Jacques Chirac.

Möglicherweise war Joly mit Tarallo einen Schritt zu weit geraten. Anfang April jedenfalls wurde ihr von ihrer Aufsichtsbehörde dringend geraten, Tarallo nicht in Untersuchungshaft zu nehmen. Am dritten Wochenende im April verschwand ein Karton mit wichtigen, möglicherweise belastenden Unterlagen über „Monsieur Afrique“ aus den verschlossenen Räumen der Finanzpolizei. Und kurz darauf schrieb auch noch der Präsident von Gabin in einem Artikel seines Blatts L'Union, er habe genug von den Ermittlungen, und drohte unverholen damit, künftig statt zu Frankreich engere Beziehungen zu den USA zu suchen.

Eva Joly, die sich wie zahlreiche ihrer prominenten Untersuchungsopfer persönlich bedroht fühlt, bewegt sich heute nur noch in Begleitung von zwei Bodyguards durchs Leben.