Die jungen Leute erreichen

■ Urig, virtuos und immer im Quartett: Das Radio-Bremeen-Festival „4 x 4“

Die Redakteurin für Neue Musik bei Radio Bremen, Marita Emigholz, hat ein kleines Festival auf die Beine gestellt, das sie bescheiden Bündelung nennt. Es heißt „4 x 4“und vereint vier Konzerte mit jeweils vier Saxophonen, Klarinetten, Akkordeons und Tuben. Diese Instrumente wecken völlig unterschiedliche Assoziationen: Das erst im 19. Jahrhundert erfundene Saxophon wurde durch seine extreme Sprachähnlichkeit eher im Jazz verwendet. Die Klarinette ist als Melodie- und Ensembleinstrument bekannt, das Akkordeon gilt als „Schifferklavier“, und die Tuba kennt man nur im Orchester oder in der dörflichen Blasmusik. Das alles ist urig genug, um genauer nachzufragen.

taz: Frau Emigholz, wie kamen Sie auf diese ungewöhnliche Idee?

Marita Emigholz: Ich hatte das Saxophonquartett „Xasax“in Witten gehört und war begeistert. Eigentlich entwickelte sich alles daraus. Das Klarinettenquartett „Aureus“war eine Empfehlung, das Akkordeonquartett meine Erfindung. Vor einem Jahr habe ich mich mit dem Tubisten Melvyn Poore unterhalten, und der erzählte mir, er habe ein Quartett, „ETC...“. Das war's dann.

Wie ist das Programm gestaltet worden?

Ich wollte ein hörbares Programm, nicht so ein abgehobenes....

Was verstehen Sie unter „abgehoben“?

Ich will keinen Kompromiß in der Qualität der Kompositionen. Aber ich will ein unterhaltsames Programm und Grenzgänger zwischen Jazz und U, zwischen Film- und absoluter Musik vorstellen. Ich will unbedingt neue Publikumskreise und insbesondere junge Leute erreichen, denen das Spartendenken zu Recht fremd ist. Mir ist übrigens dabei aufgefallen, daß heute die Personalunion zwischen Interpret und Komponist wieder stärker wird...

Wie es in älterer Musik bis Mozart selbstverständlich war ...

Ja. Michael Riessler kommt aus dem Jazz, Melvyn Poore von der Improvisation. Ich will in diesem kleinen Zyklus versuchen, die Bereiche zu verschränken, die Grenzen aufzuheben. Das habe ich ja in der „Pro Musica Nova“auch schon einmal versucht. Es ist einfach so, daß die Berührungsängste sehr groß sind. Bei einem Bild kann ich weggucken, in einem Konzert mitten in der Reihe bin ich der Musik ausgesetzt. Das muß ich bedenken, wenn ich Musik anbiete.

Deswegen noch einmal zur Vermittlung, sicher dem größten Problem, dem Neue Musik heute gegenüber steht. Helmut Lachenmann hat sich neulich sehr radikal geäußert, indem er sagte, daß man mit „schlauer Verharmlosung, homöopathischer Dosierung und vorsichtigen Mogel- und Überrumpelungspackungen nicht weiterkommt“.

Da stimme ich total zu. Zu meinem Versuch, ein größeres Publikum durch Grenzgängerprogramme zu erreichen, gehört natürlich unabdingbar: spitzenmäßige Qualität in der Wiedergabe und wirkliche Brillanz in der Zusammenstellung der Programme. Nicht Mogelpackung, aber Zugänge erleichtern...

Im Theater ist es den Intendanten, im Konzert den Veranstaltern freigestellt, ob und wie sie neue Musik bringen. Gibt es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dafür einen Auftrag, gar ein Gesetz?

Nein. So nicht. Das Gesetz sieht die Vermittlung von Kultur vor, aber Neue Musik ist da nicht ausdrücklich genannt. Es sind die Leitungen der Anstalten selbst, die das verantworten. Der Etat wird hier entschieden, und das könnte sich durchaus ändern. Eine absurde Situation ist im mitteldeutschen Rundfunk erreicht: zwei Stunden pro Woche im Nachtprogramm!

Wie sieht es denn neben der Organisation von öffentlichen Konzerten mit dem Sendealltag aus?

Grundsätzlich gehört Neue Musik in die Tagesprogramme. So etwas kann man nicht per Anordnung verbieten, obschon das gelegentlich versucht wird. Aber ein Redakteur muß ein Fingerspitzengefühl dafür entwicklen, was wann geht und was nicht. Morgens um neun kann ich durchaus einen farbigen Messiaen bringen oder einen leichten Satie, auch Cage geht. Was nicht geht, ist Boulez oder Stockhausen....

Fragen: Ute Schalz-Laurenze

Xasax, Saxophonquartett am 6. Mai im Radio-Bremen-Sendesaal; 8. Mai in der Galerie Katrin Rabus: Aureus-Ensemble, Klarinettenquartett; 10. Mai, Sendesaal: Anzelotti-Ackordeonquartett; 13. Mai, Galerie Katrin Rabus: ETC..., Tubaquartett; Alle Konzerte beginnen um 20 Uhr