■ EU: Muß genmanipulierte Ware gekennzeichnet werden?
: Sperrige Kost, zaghafte Bürokratie

Es ist das alte Lied: Die Rechte der Verbraucher bleiben auf der Strecke. Erst hat die EU-Kommission, im Einklang mit der Mehrheit des Ministerats, mit ihrer sturen Verweigerungshaltung bei der Kennzeichnung von genmanipulierten Lebensmitteln jahrelang verhindert, daß die Novel-Food-Verordnung verabschiedet wurde. Die Gentech-Kennzeichung habe für die Verbraucher keinen Informationswert, hieß es wie bei einer Schallplatte mit einem Sprung bei EU-Kommissar Martin Bangemann – sie dreht sich übrigens immer noch. Dann gaben die Eurobürokraten vorschnell dem Druck der Gentech-Lobby aus den USA nach und genehmigten die Einfuhr und Verarbeitung manipulierter Sojabohnen und Maiskörner, ohne eine Etikettierung überhaupt in Erwägung zu ziehen. Immer noch nach dem Motto: Freie Fahrt für die Gentech-Industrie, der Verbraucher wird es schon schlucken, wenn es erst einmal auf dem Tisch ist.

Doch der Bissen war zu sperrig, er blieb im Halse stecken. Aus der oft beschworenen Minderheit, die angeblich nur aus ideologischen Gründen jede Gelegenheit nutzt, um der Gentech-Industrie Stolpersteine in den Weg zu legen, wurde fast über Nacht ein unübersehbarer Faktor im politischen Spiel. Erst kippte Frankreich, von dem man hierzulande bisher annahm, daß dort die Gen-Kritiker eher rar gesät sind. Selbst genmanipulierte Futtermittel müssen dort seit kurzem gekennzeichnet werden. Der nächste Schock für die Gentech-Industrie kam aus Österreich: Rund 20 Prozent der Wahlberechtigten sprachen sich dort für ein Verbot (!) von Gentech-Nahrung aus. Die überwiegende Mehrheit der EU-Bürger fordert eine deutliche Kennzeichnung von Gentech-Food.

Erst jetzt scheint auch bei der EU-Kommission, wenn auch sehr langsam, durchzusickern, daß Heimlichtuerei der Gentech-Industrie nicht sonderlich gut bekommt. Das Versäumte soll jetzt nachgebessert werden, selbst Gentech-Mais und Gentech-Soja soll nachträglich mit einem Label gezeichnet werden. Sogar Monsanto und Novartis haben plötzlich nichts mehr dagegen, daß ihre genmanipulierten Körner erkennbar sein müssen. Offenbar befürchten die Firmen ein schlechtes Image und Einbußen am Markt.

Für die EU-Kommission liegen die Hausaufgaben freilich noch fast unberührt in der Schublade. Die Novel-Food-Verordnung tritt zwar demnächst in Kraft, doch was nun wirklich gekennzeichnet werden soll, daß steht immer noch in den Sternen. Wolfgang Löhr