Frieslands Antwort auf Cannes

■ Schon im achten Jahr eine echte Alternative zum Starrummel an der Cote d'Azur: Das „FilmFest Emden“/ Start am Mittwoch

Es mag ja sein, daß in wenigen Tagen irgendwo in Frankreich eines der größten Filmfestivals der Welt eröffnet wird, aber ebenso wie Oldenburg jedes Jahr zur gleichen Zeit wie Venedig seine Kinotage veranstaltet, terminieren auch die Emdener traditionell ihr „FilmFest“als eine Alternative zu Cannes. Jetzt, im achten Jahr, hat sich „das Publikumsfest im Nordwesten“als ein angenehm familiäres und vielseitiges Panorama für neue, eher kommerzielle als experimentelle Spielfilme durchgesetzt, und mit 13.500 ZuschauerInnen war es im letzten Jahr so gut besucht, daß die norddeutsche Konkurrenz in Braunschweig und Oldenburg nur neidisch auf diese BesucherInnenzahlen blicken kann.

Neun Filme aus Deutschland, Großbritannien, Irland und Island sind im Wettbewerb um den mit 15.000 Mark dotierten Publikumspreis. Zu den Favoriten darunter zählen eindeutig die englische Komödie über eine proletarische Blaskapelle „Brass Off“, mit der das Festival am Mittwoch um 19 Uhr eröffnet wird, und der neue Film des „Children of Nature“-Regisseurs Fridrik Thor Fridriksson „Devil's Island“(Sa. 21.30 Uhr u. So. 16.15 Uhr), der vom chaotischen Leben in einem Armutsviertel im Reykjavik der Nachkriegszeit erzählt. Beide Filme gehörten zu den gefeierten Entdeckungen der diesjährigen Berlinale, und auch sonst werden in Emden in erster Linie die Erfolge von anderen Festivals nachgespielt.

Das hat den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß die ganz schlimmen Nieten schon durch den Rost gefallen sind. So wollte der „FilmFest“-Organisator Thorsten Hecht unbedingt den Rennfahrerfilm „La Passione“für den Schwerpunkt „The British are Coming“einkaufen, zu dem der Softrocker Chris Rea leider nicht nur die Filmmusik, sondern auch ein extrem einfältiges Drehbuch geschrieben hat. Da er aber wohl in ganz London nicht einen Zuschauer gefunden hat, der diesen Film nicht erbärmlich schlecht gefunden hat, ist den Emdenern dieser Stinker erspart geblieben.

Zu empfehlen sind dagegen John Schlesingers „Cold Comfort Farm“(Do. 19 Uhr u. Mo. 18 Uhr), eine böse Satire auf das „merry old England“, das gerade mit all den Jane Austen Adaptionen so nostalgisch heraufbeschworen wird, und „Gallivant“von Andrew Kötting (So. 18.30 Uhr), die wunderbar exzentrische Dokumentation einer Reise entlang Englands Küste, die wie eine filmische Antwort auf W.G. Sebalds Buch „Die Ringe des Saturn“wirkt.

Neben Reihen mit internationalen Previews, deutschen Produktionen und vier neuen arabischen Filmen gibt es auch eine Werkschau mit den Filmen von Neil Jordan und als Spezialität für filmhistorisch Interessierte ein Programm mit frühen britischen Stummfilmen, das von dem Filmwissenschaftler Charles Hedges kommentiert wird (So. 16.15 Uhr). In vier Sälen werden von Mittwoch bis Mittwoch insgesamt 60 Lang- sowie 50 Kurz- und Animationsfilme gezeigt. Und da in der ostfriesischen Stadt nichts ohne Otto geht, wird es sich Emdens berühmtester Sohn wohl auch in diesem Jahr nicht nehmen lassen, am Sonntag abend persönlich den von ihm entworfenenen bronzenen Kamera-Ottifanten zu übergeben.

Wilfried Hippen

„FilmFest Emden“vom 7. bis zum 14. Mai dortselbst