Subversive Aktionen in der Strafeinheit

■ Ausstellung über die „999“-Bewährungstruppe der Wehrmacht – Strafeinheit für Antifaschisten – wurde in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand eröffnet

„Zum erstenmal Kontakt mit Soldaten, die zur Bewährungseinheit ,999‘ gehörten, hatte ich in einem englischen Kriegsgefangenenlager in der Nähe von Kairo“, berichtet der Zeitzeuge Lothar Krause. Er wurde dort im Sommer 1943 gefangengehalten. Die „999er“ machten antifaschistische Schulungen unter den meist sehr jungen Mitgefangenen. Doch selbst hier mußten sie konspirativ arbeiten, da von den 1.200 deutschen Kriegsgefangenen im Lager nur etwa 50 antifaschistisch orientiert waren.

Eine Ausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand dokumentiert auf zahlreichen Bildtafeln Lebenswege und politische Arbeitszusammenhänge von „wehrunwürdigen“ Antifaschisten, die ab 1942 in den Strafeinheiten der Wehrmacht kämpfen mußten.

Im Herbst 1942 veranlaßte das Oberkommando der Wehrmacht die Aufstellung des „Bewährungsbataillons 999“ für sogenannte Wehrunwürdige. Allen, die im Dritten Reich im Zuchthaus inhaftiert oder in Konzentrationslagern waren, hatten die Nationalsozialisten automatisch die sogenannten bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Männer wurden für „wehrunwürdig“ erklärt und von der Wehrpflicht ausgeschlossen. Rund ein Drittel der etwa 28.000 „999er“ gehörten zu den politischen Gegnern des NS-Regimes. Viele von ihnen hatten als Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten im organisierten Widerstand gegen das Dritte Reich gearbeitet. Als „Vaterlandsverräter“ sollten sie sich ab 1942 an vorderster Front in diesen Strafeinheiten der Wehrmacht für das Dritte Reich bewähren.

Die ersten Einheiten der 999er kamen nach einer kurzen militärischen Ausbildung auf dem Truppenübungsplatz „Heuberg“ auf der Schwäbischen Alb an die Front. Als „Wehrunwürdige“ wurden sie dann regelrecht als Kanonenfutter für die angeschlagene deutsche Wehmacht ab März 1943 in der Afrika-Division in Kairouan und anderen Orten Tunesiens eingesetzt. Andere Bataillone kamen als Besatzungstruppen nach Griechenland und Ende 1943 in die Sowjetunion. Viele von ihnen versuchten, zur Roten Armee zu desertieren oder zu den griechischen Partisanen überzulaufen. Zeitzeugen machen in der Ausstellung das besonders hohe persönliche Risiko der Desertion deutlich.

Auch in den Kriegsgefangenenlagern der Allierten war es mit dem Kampf gegen die Nazis nicht vorbei, wie in der Ausstellung ausführlich dokumentiert wird. Nazi- offiziere versuchten, in den Lagern weiterhin die Macht über „ihre“ Soldaten zu behalten. Dies ging hin bis zu Morden an Antifaschisten, die mit den alliierten Bewachern zusammenarbeiteten. In der Sowjetunion erhielten antifaschistische Kriegsgefangene die Möglichkeit, sich politisch im Rahmen des Nationalkomitees Freies Deutschland zu betätigen. Allerdings standen sie dann unter der Kontrolle des stalinistischen Gewaltapparats.

Die Dokumentation, die von ehemaligen Angehörigen dieser Strafeinheit erarbeitet wurde, ist bis zum 4. Juli in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstraße 13–14, zu sehen. Montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 9 bis 13 Uhr. Isabel Richter, Christoph Villinger