■ DJ Bobos Selbstverteidigungstechnik in der Tanzschule
: Methodik, Didaktik und Hämatome

Der Andrang ist enorm. 16jährige drängeln und schubsen die knapp Fünfjährigen nach hinten. Nur wer eine Eintrittskarte für 15 Mark ersteht, darf an diesem Nachmittag in der „Tanzschule Broadway“ im Berliner Außenbezirk Spandau mitmachen: Tanzen wie DJ Bobo soll heute hier gelernt werden. Während die Mädchen in engen Lurex-Hosen – darüber wird ein neonfarbener Lurex-Schlüpfer gezogen – auf der Tanzfläche erscheinen, glänzen die wenigen Jungen in Jeans und Turnschuhen. Der Workshop „DJ-Bobo- Dance“, eine Werbeveranstaltung für das beste Schweizer Exportprodukt, seit es Appenzeller gibt, kann beginnen.

Merchandising umfaßt heutzutage nicht nur T-Shirts und Poster. DJ Bobo, Herr der Bravo-Fans, hat sich jede seiner Kniebeugen und Handbewegungen lizensieren lassen. Sogar „Methodik und Didaktik“ sind urheberrechtlich geschützt. Wer Mitglied im „DJ-Bobo-Dance-Club“ werden will, muß für mindestens drei Monate Geld in die Schweiz transferieren oder bei der „Tanzschule Broadway“ ein Konto eröffnen – obwohl das Tanzseminar nur zwei Monate dauert. Insgesamt 231 Mark kostet das Berufstätige; Studenten zahlen 198, Kinder bis zu 15 Jahren 147 Mark in Raten.

Wer es allerdings wagen sollte, danach den Bobo-Tanz mittels selbstgedrehter Heimvideos zu lehren, muß nicht nur „eine Konventionalstrafe von mindestens 5.000 Mark bezahlen und mit einem gerichtlichen Verfahren rechnen“, so der Anmeldungsvertrag. Der Delinquent verliert auch seine Club-Mitgliedschaft, „sofort“.

Frau Frost, die tatsächlich etwas unterkühlte, blonde Trainerin, schaltet den Kassettenrecorder ein. Eine Begrüßung durch die eidgenössischen Tanz-Instrukteure ist zu hören; sie ist kurz und schließt mit einem knappen „Und tschüß“.

„DJ Bobo tanzt, was er singt“, erklärt Frau Frost und nimmt eine erste Aufstellung vor. Über dreißig Handpaare falten sich zum Gebet – vom Band erklingt die Strophe „to pray“. Dann wird es kompliziert. Den Kniegrätschen nach innen und außen folgen ruckartige Hüft- und Brustkorbverdrehungen im 136-Beats-per-Minute-Takt. Nach zwei Wiederholungen schleppen sich einige Teilnehmer mit überdehnten Bändern von der Tanzfläche. Auch die Choreographie von „Respect yourself“ ist nicht gerade kommod. Arme schnellen über Köpfe, Sprünge zur Seite und nach hinten gipfeln schließlich in einer Pirouette mit angewinkelten Handgelenken auf dem Fußballen.

Zur sechsten Schrittfolge hat sich die Tanzfläche merklich gelichtet. Aber Frau Frost macht weiter und teilt die verbliebenen Anwärter auf eine Club-Mitgliedschaft in zwei Gruppen. Zwar hat man jetzt einen besseren Blick auf Frau Frost, doch die Koordinierung von Beinen, Armen, Oberkörper und Kopf fällt zunehmend schwerer.

Tanz den DJ Bobo oder wie man sich auf der Tanzfläche selbst verteidigt: Die heftig nach links- und rechtsaußen gezogenen Faustschläge in Magenhöhe strecken auch den hartnäckigsten Headbanger nieder. Mehrere Lurex-Mädchen klappen sofort zusammen, andere kommen mit Hämatomen davon. Nur die Fünfjährigen konnten sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Und der Refrain zur Knockoutbewegung heißt „Freedom“. Stella Moe