Traubensaft für Europa, Markenweine für Übersee

■ Spaniens Weinbauern hoffen auf die Erschließung außereuropäischer Märkte

Seit Anfang Mai stehen überall auf Spaniens Theken Flaschen, präsentiert auf einem kleinen Sockel mit Werbeaufdruck: „Trink Traubensaft“. Die Fahne der EU darunter verrät, wer die Kampagne bezahlt. Die Überproduktion an Rebensaft muß unters Volk, wenn nicht vergoren, dann halt ohne Alkohol. Nicolas Gómez, Sprecher des Zentralverbandes der Spanischen Landwirtschaftsgenossenschaften (CCAE), ist voll des Lobes. „Nachdem Brüssel jahrelang nur die Reduzierung der Anbauflächen im Sinn hatte, sind wir jetzt auf dem richtigen Weg.“

Die Vorschläge für eine Neuorganisierung des EU-Weinmarktes, die Landwirtschaftskommissar Franz Fischler noch in diesem Jahr vorlegen will, sieht eine Verzehnfachung der Summe für Werbung vor. Nicht nur in der EU, sondern auch außerhalb sollen Märkte für die Überschüsse erschlossen werden – in Übersee nicht als Traubensaft, sondern als Markenweine.

Die Konkurrenz ist hart. Vor allem in den USA drohen Weine aus Chile und Argentinien die europäischen Tropfen zu verdrängen. Deshalb strebt die EU etwa nach Japan und China. „Fischlers Politik der Verkaufsförderung ist das Ergebnis jahrelanger Proteste gegen die alten Reformpläne für den Weinbau von 1994“, sagt Gómez. Die EU produzierte zum damaligen Zeitpunkt 190 Millionen Hektoliter Wein pro Jahr (heute: 172 Millionen), bei einem Eigenkonsum von nur 136 Millionen Hektolitern. Selbst nach Abzug des Exports von 30 Millionen Hektolitern blieb noch ein ordentlicher Überschuß, der, so die Landwirtschaftsexperten in Brüssel, auf die Dauer nicht haltbar war.

Auch in den Anbauländern bestritt das niemand. Nur das Rezept zur Abhilfe, die Stillegung von 340.000 Hektar und der damit verbundene Verlust von etwa 30.000 Arbeitsplätzen, wollte niemandem so recht schmecken. Es hagelte Proteste, vor allem seitens der drei wichtigsten Weinanbauländer der EU, Spanien, Italien und Frankreich. Allen voran geriet Spanien ins Blickfeld der Reformer. Während in Frankreich und Italien der Weinkonsum seit Jahren stabil bleibt und er im Anbauland Deutschland gar steigt, sank der Weinverbrauch auf der iberischen Halbinsel ins Bodenlose. Noch vor 25 Jahren verkauften Spaniens Winzer 70 Liter pro Kopf und Jahr, heute sind es gerade noch 33.

Ausgerechnet die größte Katastrophe der letzten Jahre für die Landwirtschaft im Mittelmeerraum, die anhaltende Trockenheit, verschaffte den Weinbauern eine Gnadenfrist. Allein in Spanien fiel der Ertrag 1994 und 1995 von den üblichen 34 Millionen Hektorlitern auf unter 20 Millionen. Erst im letzten Jahr stiegen die Ertragszahlen nach ausgiebigen Regenfällen wieder. 31,7 Millionen Hektoliter, ein Fünftel dessen, was in ganz Europa aus den Keltereien floß, fuhren Spaniens Weinbauern ein.

Auch denen, die in der Flächenstillegung den einzigen Ausweg aus der Überproduktion sehen, arbeitete die Trockenheit in die Hände. Seit die EU 1988 erstmals Subventionen für stillgelegte Anbauflächen vergab, wurden in ganz Europa 500.000 Hektar Reben gerodet, 200.000 davon alleine in Spanien – der größte Teil während der extremen Trockenheit (1993 bis 1995). Für viele Bauern in regenarmen Gegenden wie in Teilen von Castilla-La Mancha und Murcia sanken die Erträge dermaßen, daß sie endgültig den Anbau einstellten. Reiner Wandler, Madrid