Das Stöhnen der Industrie über die Kosten des Umweltschutzes ist völlig überzogen. Bei Öko-Audits zeigt sich vielmehr, daß die Firmen mit Umweltschutz häufig Geld sparen. Interview mit dem Präsidenten des Umweltbundesamtes, Andreas Troge

taz: In der Steuerreformdiskussion ist nur noch von Einstiegssteuersätzen und Entlastungsvolumen die Rede. Welche Steuerreform schwebt dem Präsidenten des Umweltbundesamtes vor?

Andreas Troge: Eine mit Energiesteuern. Das Verkehrswachstum legt dringend nahe, an eine Erhöhung der Mineralölsteuer zu denken.

Konkret?

Fünf Mark sind gar nicht notwendig. Wir müssen den Benzinpreis nicht mit dem Bierpreis gleichziehen lassen. Aber ein Groschen mehr im Jahr über mehrere Jahre darf es schon sein.

Der bewirkt doch ökologisch gar nichts.

Als wir 1994 aus finanzpolitischen Gründen eine deutliche Mineralölsteuererhöhung hatten, ist der Benzinverbrauch zeitweise spürbar zurückgegangen, auch wenn er dann wieder angestiegen ist. Die Ankündigung mäßiger Erhöhungen würde schon reichen, die jetzt auf den Markt kommenden Kleinwagen zu fördern.

Für die Mineralölsteuer mag ja eine Chance bestehen, aber andere Energiesteuern stehen doch nur noch in den Sternen.

Es stimmt, die neue CO2-Steuer kommt in Europa nicht voran. Aber zumindest wird jetzt der richtige Versuch gemacht, eine einheitliche Mindestbesteuerung für Energie in Europa zu erreichen.

In Deutschland ändert sich damit nichts.

Es geht ja nicht nur um Deutschland. Hierzulande probieren wir auch noch andere Instrumente aus, nehmen Sie zum Beispiel das Öko-Audit. Bei uns laufen jetzt Berichte der Industrie ein, in denen es heißt: Wir haben eine Mark investiert und dabei vier Mark herausbekommen.

Vier zu eins ist ziemlich gut, oder?

Stimmt, lange Jahre hat man diese Möglichkeiten, Energie und gleichzeitig Geld zu sparen, nicht beachtet.

Die Audits sind ja nur freiwillig, Ökosteuern würden die Manager doch erst recht zum Nachdenken anregen.

Langsam. Wir müssen schon aufpassen, daß die Unternehmen nicht mit Abwanderung reagieren. Die deutschen Unternehmer sind zwar keine Nomaden, die ihre Fabrik unter den Arm packen. Aber wenn's zu teuer wird, kann man auch im Ausland einkaufen und schließlich peu à peu im Ausland investieren.

Sind die Vertreter der ökologischen Steuermodelle deshalb heute so leise?

Das weiß ich nicht, das ist aber auch nicht unsere Rolle. Wir sind kein Umweltverband. Wir müssen als Bundesbehörde leise und argumentativ andere Wege suchen. Wir haben schließlich den gesetzlichen Auftrag, die Bundesregierung zu beraten.

Täuscht der Eindruck oder hat Ihr Vorgänger Heinrich von Lersner (FDP) diese Rolle anders definiert?

Er hat die Rolle sicher nicht anders definiert, auch wenn er manches etwas lauter, mit forderndem Ton gesagt hat. Da ging es um die Mineralölsteuer und ums Tempolimit. Aber ein Tempolimit kann man nicht damit begründen, daß andere auch eins haben. Wir prüfen derzeit, was ein Tempolimit heute für die Umwelt brächte.

Ohne diesen fordernden Ton, was ist Ihre Durchsetzungsstrategie?

Die Überzeugung im politischen Raum mit einer Fülle von Gesprächen und guten Argumenten. Das kann man dann mit öffentlichen Äußerungen unterstützen.

Ein Beispiel?

Wenn die CO2-Steuer gescheitert ist, kann man sich ja auch einmal die Ausnahmen von den bestehenden Energiesteuern ansehen: Das Flugbenzin wird nicht besteuert, und der Diesel für Landwirte, um nur zwei Beispiele zu nennen. Jedes Jahr fließen weit über 200 Milliarden Mark an Subventionen, da sind genug Möglichkeiten.

Mit Subventionskürzungen macht man sich keine Freunde. Wer sind Ihre Verbündeten?

Wir haben inzwischen eine ganze Menge, in den Gewerkschaften und in der Wirtschaft. Denken Sie an den ökologischen Unternehmensverband BAUM. Es gibt immer mehr Gespräche mit Industrieverbänden und der Landwirtschaft. Da könnte es allerdings den nächsten Knatsch geben, weil manche in der Industrie jetzt merken, daß die von ihnen verlangten Ökobilanzen etwas bringen.

Das macht die Industrie doch gerne: Sie verlangt neue Instrumente, und wenn die dann wirksam werden könnten, fordert sie wieder andere.

Ihr Eindruck ist sicher nicht ganz falsch. Nehmen Sie noch einmal das Energiebeispiel. Minister Töpfer hat damals eine Wärmenutzungsverordnung vorgeschlagen. Die Industrie sagte, wollen wir nicht, wir wollen ein marktwirtschaftliches Instrument. Töpfer schlug Energiesteuern vor. Die Industrie sagt nein, wir wollen die europäische Lösung. Töpfer präsentierte die europäische Energiesteuer, und die Industrie winkt ab. Die Idee sei zwar schön, aber Japan und die USA müßten sich schon beteiligen.

...und es tut sich nichts.

Wir haben in der Tat eine Diskussion, die enorm auf Kosten und Lasten fixiert ist. Das andere Argument, wie erhalten wir den Planeten, wie bewahren wir über unsere eigene Lebenszeit hinaus unsere Umwelt, was ist wirklich wichtig, kommt immer weniger vor.

Aber warum dreht sich die Debatte immer um Belastungen und Vergangenheit und nicht um die Zukunft und den Weg dorthin?

Weil wir uns vor den Wertentscheidungen drücken. Eine Antwort auf die Frage nach den Vor- und Nachteilen unserer Mobilität kann ich erst geben, wenn ich eine Wertentscheidung darüber treffe, wieviel Rußpartikel in der Luft tolerierbar sind.

Die Industrie hat die Entscheidungen doch schon getroffen. Die Luft in der Berliner Brückenstraße, einer der meistbefahrensten der Hauptstadt, wäre doch an keinem Arbeitsplatz in der Computerindustrie genehmigungsfähig.

Vermutlich nicht unter arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkten. Aber die örtlichen Verhältnisse kenne ich nicht hinreichend. Ob dort der Verkehr eingeschränkt werden kann, müssen die zuständigen Berliner Behörden auf der Basis der 23. Bundesimmissionsschutzverordung prüfen.

Prüfen? BDI-Chef Hans-Olaf Henkel hat als Manager von IBM einfach verkündet, daß eine Sondermüllverbrennungsanlage vor seiner Fabrik nicht gebaut wird. Die sei schädlich für die Produktion. Die Kinder an möglichen anderen Standorten spielen keine solch große Rolle.

Stimmt leider. Solche Belastungen sind eben kein so großes Politikum, weil die Wahrnehmbarkeit der Belastung heute einfach geringer ist als bei Ruß und Staub, der vor 30 Jahren die Wäsche auf der Leine verschmutzte. Wir reden heute über Risiken, die sich nicht anfassen lassen. Und dann wird den Leuten noch eingeredet, Umweltschutz habe konkret für ihren Arbeitsplatz negative Effekte, eine Aussage, die nicht stimmt.

Und warum wehren Sie sich nicht gegen solchen Unsinn

Wir wehren uns massiv. Das Kostenargument ist völlig überzogen. Die private Wirtschaft und der Staat geben im Jahr etwa 60 Milliarden für Umweltschutz aus. In der privaten Wirtschaft geht die Zahl sogar zurück. Die Belastung des Umsatzes liegt selbst bei stark in den Umweltschutz investierenden Branchen im Schnitt bei 1,5 bis 2 Prozent. Das Problem ist: Die Chemie- und die Stahlindustrie, die etwas höhere Kosten tragen müssen, klagen lautstark. Und die Maschinenbauunternehmen, die vom Boom in der Umwelttechnik profitieren, schweigen.

Mit der Folge, daß die deutsche Industrie jetzt auch in der Umwelttechnik ihre Weltmarktführerschaft verliert.

Manchmal sind andere Länder eben billiger. Die US-Industrie allerdings hat auch eine ganz andere Unterstützung von staatlicher Seite erfahren. Wir fangen in Deutschland gerade erst an, eine Förderstruktur für die Umweltschutzindustrie und entsprechende Dienstleistungen einzurichten.

Warum machen die Amerikaner Industriepolitik und die Bundesregierung nicht.

Es geht da nicht um klassische Industriepolitik. Es geht um die internationalen Standards. Die deutsche Industrie ist immer noch verdutzt, wenn die Kunden nicht Spitzentechnologie made in Germany nachfragen, sondern etwas an ihre Bedürfnisse und ihren Geldbeutel Angepaßtes. Selbst in der EU werden die eigenen hohen Umweltstandards nicht so ernst genommen, wie sie sollten. Würden sie ernster genommen, wäre der Markt für die deutsche Umwelttechnologie schon größer. Interview: H.-J. Tenhagen