Bei der Rente kommt nichts voran

■ Nach der Vorlage des SPD-Rentenkonzeptes gibt es kaum Chancen für einen Kompromiß zur Alterssicherung

Berlin (taz) – Rudolf Dreßler, Sozialexperte der SPD, steckte die Marschroute ab. Sollte die Koalition sich bei der Rente nicht verhandlungsbereiter zeigen, werde es keinen Kompromiß geben. Dreßler ging gestern gar noch einen Schritt weiter und warnte davor, im Zweifelsfalle müßten eben die Wähler 1998 eine Entscheidung treffen. Ein indirekter Hinweis, daß die SPD die Rente möglicherweise zum Wahlkampfthema machen könnte.

Nachdem die SPD-Rentenkommission gestern ihr eigenes Konzept vorgestellt hat, scheint eine Annäherung so fern wie eh. Haupthürde ist die Weigerung der SPD, die von der Koalition vorgeschlagene schrittweise Senkung des durchschnittlichen Rentenniveaus von derzeit 70 auf 64 Prozent des Nettolohnes mitzutragen. Voraussetzung ist, daß ein Rentner 45 Jahre lang Beiträge entrichtet hat. Dies hält die SPD-Rentenkommission für eine theoretische Annahme. Selbst nach Berechnungen der Bundesregierung würden in den alten Bundesländern von den Männern im Durchschnitt nur 39 Jahre, bei den Frauen gar nur 24 Jahre Beiträge entrichtet. Auch in anderen Punkten liegen SPD und Koalition weit auseinander:

– die Erwerbsminderungsrente, die die SPD weiterhin im vollen Umfang zahlen will. Diese will die Koalition beschneiden: Nur derjenige erhält die Rente in vollem Umfang, wer weniger als täglich drei Stunden arbeiten kann. Nur eine Teilrente soll bekommen, wer noch fähig ist, zwischen drei und sechs Stunden täglich zu arbeiten.

– Während die SPD auch die Beschäftigten mit Jobs unter 610 Mark im Monat und die sogenannten Scheinselbständigen in die Rentenversicherung mit einbeziehen will, lehnt die CDU dies bislang ab. Bei Scheinselbständigen will sie lediglich prüfen, ob diese in die Versicherungspflicht genommen werden.

– Wiedereinführen will die SPD auch die im vergangenen Jahr abgeschaffte volle Rente ab 60 Jahren nach vorangegangener Arbeitslosigkeit.

Als Kernstück präsentiert das SPD-Rentenkonzept eine eigenständige Alterssicherung für Frauen. Demnach sollen während einer Ehe erworbene Anwartschaften bei der Rentenversicherung für Mann und Frau zu je 50 Prozent gutgeschrieben werden. Beim Tod erhält der verbliebene Ehegatte 25 Prozent der Rente des Verstorbenen. Das Splittingmodell will die SPD vertraglich auch unverheirateten Paaren zubilligen. Mit diesem Modell des Rentensplittings will die SPD-Rentenkommission die bisherige Hinterbliebenenrente für verwitwete Eheleute ablösen. Bislang erhalten Hinterbliebene rund 60 Prozent der Rente des Verstorbenen, in der Regel des Ehemannes, wobei allerdings auch eigene Einkünfte teilweise gegengerechnet werden. Dissens gab es innerhalb der 30köpfigen SPD-Rentenkommission. Um den im Jahre 2020 ansteigenden Rentenkosten wegen der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung zu begegnen, will eine Mehrheit den Umfang des Bundeszuschusses von 20 auf 25 Prozent an der Kasse erhöhen. Eine Minderheit mit Rudolf Dreßler plädiert hingegen für ein Modell, das weitgehend dem des jungen CDU-Abgeordneten Andreas Storm ähnelt: Aus den Rentenbeiträgen wird ab 2003 ein Kapitalstock angespart, der dann die Rentenbeiträge (derzeit bei 20,3 Prozent) herabsenkt. Die versicherungsfremden Leistungen, etwa Renten für Spätaussiedler, sollen laut SPD im Umfang von jährlich 30 Milliarden aus Steuermitteln gezahlt werden. Der Koalitionsvorschlag sieht lediglich ein Volumen von 15 Milliarden vor – für die die Mehrwertsteuer erhöht werden könnte. Severin Weiland