Trinken, Ertrinken

■ Mit dunkler Rockmusik zu Kurzgeschichten sucht Mark Sandman mit Morphine das Banale im Extrem

Irgendwie hat Mark Sandman recht. Daß Menschen aufrecht auf zwei Beinen durch die Gegend laufen, ist schon eine komische Sache. Wieviel Schwerkraft dabei allein überwunden werden muß. Ist das Schwimmen nicht eine viel elegantere und leichtere Art sich fortzubewegen?

Like Swimming heißt das vierte Album von Morphine, Mark Sandmans Band. Der Mann aus Boston sucht das Banale im Extrem, und das gilt für kognitive Experimente ebenso wie für künstlerische Erkenntnisse. So hat er sich irgendwann Anfang der Neunziger dazu entschlossen, in seinen Songs auf die Gitarre zu verzichten und die dunkle Rockmusik nur mit Hilfe von zweisaitigem Slide-Baß, Bariton-Saxophon und Schlagzeug zu arrangieren.

Seltsam, daß da noch niemand zuvor drauf gekommen ist. Die derart erzielte Dynamik ist enorm, denn die Instrumente umspielen einander, ohne durch Klotzerei den eleganten Flow der Musik zu gefährden. Das erinnert an einen Schwimmer, der fast ohne Kraftaufwand im Wasser seine Rollen drehen kann. In den knappen Lyrics auf Like Swimming geht es auch immer auf die eine oder andere Art ums Schwimmen.

Die Helden aus Sandmans kleinen Geschichten schwimmen – wörtlich übersetzt – die Straßen hoch, und der Hörer kann sich dann vorstellen, wie es aussehen muß, wenn sich diese Typen bewegen. Oder sie retten sich kurz vor dem Ertrinken auf offener See in einen leeren Karton, der jenem verdammt ähnlich ist, der ihnen zuvor von ihrer Geliebten mit der Erklärung „Das hast du mir gegeben“(nämlich nichts) geschickt wurde.

Nun gut, Sandmans Songs handeln vom Schwimmen und vom Ertrinken. Und vom Trinken natürlich auch. Hier liegt die gefährliche Untiefe, die Morphine beim legeren Rumkraulen mal den Bauch aufreißen könnte. Der sinistre Jazz-Sound und der rhythmisch lakonische Duktus, wen wundert's, wirken einladend für das eine oder andere Klischee übers Drifting und Drinking.

Deshalb sind die irreal angelegten Kurzgeschichten von Mark Sandman auch besser als die, in denen er ein bißchen zu exzessiv angesagten Hardboiled-Autoren oder Beatnik-Helden nacheifert. Obwohl sein Trio mit einem sehr schönen Hommage an Jack Kerouac die gerade erschienene CD Kicks Joy Darkness eröffnet. In ihrem Beitrag versuchen sie mit flirrenden Drums die Kunst des Beat-Poeten im Kern zu fassen. Ein bißchen naiv ist das, aber keineswegs verwerflich. Und natürlich kommt auch für Morphine erstmal der Rhythmus – denn das Wort tut das danach schon von ganz allei n. Christian Buß Sa, 10. Mai, 21 Uhr, Logo