Kampf mit dem Windsorknoten

■ Ergreifende Klischees und anarchischer Witz in Set it off von Soul-Clip-Filmer F. Gary Gray

Als der schwarze Frauengang-Film Set it off in die US-Kinos kam, titulierte die New York Times ihre Seiten mit „Blaxploitation at Wall Street“und ähnlichem Geraune über den plötzlichen Erfolg schwarzer Broker und Banker an der Börse.

Daß der weiße Amerikanische Traum sich nun für sein schwarzes Randpersonal erfüllen soll, hat schon etwas Bizarres. Und dieses seltsam zerrissene Verhältnis zur eigenen Kaste spiegelt genau jene unterschwellige Unentschiedenheit von Set it off wider. So weiß man doch nie, ob Keith, Banker und ahnungsloser Freund der Bankräuberin Stone, mit seinen champagnerreichen Offerten einen Kleinmädchentraum bedient oder tatsächlich als Assimilationswunder mit doppeltem Windsorknoten eine ehrenwerte, dazu einträgliche schwarze Zukunft in Aussicht stellen soll.

Und weil dem Regisseur F. Gary Gray hierbei scheinbar selbst nicht ganz geheuer ist, verschlampt er diese Romanze und erzählt vordergründig lieber eine ganz andere Geschichte: Von Wohngegenden in L.A., in denen die häufigste Todesursache bei unter Dreißigjährigen Mord ist. Von vier schwarzen Frauen, die am sozialdarwinistischen Gefüge verzweifeln, und das mit einer fast schon traumwandlerischen Sicherheit, legt das Drehbuch ihnen doch hinlänglich erprobte Pfade vor. Der miese Chef, der nervöse Cop, der versehentlich den Bruder abknallt, und dann das Jugendamt, das der alleinerziehenden Mutter das Kind wegnehmen will. Daß der Film diese stereotypen Ungerechtigkeiten auf vier Protagonistinnen verteilt, macht sie nicht ungewöhnlicher. Doch wie er die Frauen in ihr vorgezeichnetes Schicksal und zur Publikumssympathie führt, macht das ganze sehenswert.

Die löwinnenstarke Cleo (die Rapperin Queen Latifah), die etwas besonnenere Stone (Jada Pinkett), die ängstliche Tisean (Kimberly Elise) und die resolute Frankie (Vivica A. Fox). Immer wieder ist es der Mut und eine Hartnäckigkeit jenseits aller Vernunft, die die vier vorpreschen läßt in eine Welt, die das Kino sonst immer noch lieber wahren Mackern vorbehält. Und mit einem herzhaften „Fuck the System“auf den Lippen und dem anarchischen Witz des schwarzen Kinos der 70er als Rückendeckung hat längst eine brachialere Logik ihre Leben neu organisiert. Daß Stone am Ende nicht anständig wird und sich nicht mit der ver-snobten Abgebrühtheit gegenüber dem eigenen Volk vermählt, hat zwar seine Pointe, doch es macht sie noch nicht zum Flintenweib einer Black-Power-Renaissance. Denn den Traum vom bürgerlichen Leben hat auch sie nur vertagt.

Trotz allem dramaturgischen Kalkül und einer Soul-Clip-Deko, in der der Musikvideofilmer Gray seine Figuren manchmal vergißt, Set it off hat ergreifende Passagen. Wenn die Frauen mit einer Mischung aus Patzigkeit und Stolz auf die aussichtsloseste Situation zurasen, dann wird wohl allen Freundinnen im dunklen Kino-Saal dieses Thelma-und-Louise-Gefühl im Hals hochkrabbeln. Jenes, als Sarandon und Davis ein letztes Mal Gas geben und dafür in Standbild und Weißblende verdientermaßen für die Ewigkeit eingefroren werden. Birgit Glombitza Aladin, City, Gloria, Savoy, Ufa