„Quas“– Integration für Verlierer

■ Hamburger Modell integriert Schulabbrecher in Arbeitsprozeß / Interview mit Hans-Otto Bröker vom Hamburger Arbeitsamt

Die Situation auf dem Bremer Ausbildungmarkt ist verheerend. Zugleich hat sich die Zahl der SchulabbrecherInnen seit 1991 verdoppelt. Allein im vergangenen Schuljahr waren es 536 SchülerInnen, eine Quote von mehr als elf Prozent. Welche Chancen diesen jungen Menschen noch auf dem Arbeitsmarkt haben und welche Modelle es zur Integration gibt, darüber sprach die taz mit dem Leiter der Berufsberatung im Arbeitsamt Hamburg, Hans-Otto Bröker.

taz: Herr Bröker, haben diese SchulabbrecherInnen noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt?

Hans-Otto Bröker: Die Chance wird immer geringer. Das liegt zum einen an der sinkenden Anzahl von Ausbildungsplätzen. Zum anderen hören wir aber immer wieder aus den Betrieben, daß vor allem soziale Defizite vorhanden sind. Die mangelnde schulische Qualifikation ist also gar nicht ausschlaggebend. Die sozialen Probleme erschweren die Integration in einen Betrieb. Und während vor zehn Jahren noch die meisten Handwerksmeister gesagt haben, daß kriegen wir schon hin, sind viele Arbeitgeber dazu nicht mehr bereit.

Hamburg hat dagegen vor zwei Monaten „Quas“entwickelt. Was heißt Quas?

Qualifizierung und Arbeit für Schulabgänger. Dahinter verbirgt sich die Erkenntnis, daß viele Jugendliche, die wir nicht in Ausbildungen vermitteln können, mit teurem Geld in arbeitsvorbereitenden Maßnahmen stecken und dort die Intergrationsquote dramatisch sinkt – in den letzten Jahren von 40 auf 25 Prozent. Wir bezahlen also viel Geld für Jugendliche, die wegsickern in die Sozialhilfe.

Was macht Quas dagegen?

Wir erhöhen den betrieblichen Anteil solcher Praktika anstatt die Schüler schön gemütlich in Qualifizierungsmaß-nahmen aufzubewahren. Wir müssen versuchen, unter Echtbedingungen zu integrieren.

Das setzt aber eine hohe Bereitschaft der Arbeitgeber voraus?

Das ist richtig. Das neue an Quas ist aber, daß wir die Jugendlichen für die Ausbildung bezahlen.

Der Staat zahlt, die Arbeitgeber stellen den Praktikumsplatz und die Jugendlichen bekommen anschließend im gleichen Betrieb eine Lehrstelle?

Das wäre dann das Optimum. Vor allem aber beweisen die Jugendlichen, die immer als nicht tauglich für eine Ausbildung abgestempelt werden, daß sie eben doch geeignet sind. Erste Signale zeigen, daß die Jugendlichen im Quas-Modellversuch hoch motiviert sind, weil sie auf eine eigene, bezahlte Leistung verweisen können. Das ist Integration in den Berufsalltag.

Wie ist denn die Bereitschaft der Betriebe, bei Quas mitzumachen?

Wir haben jetzt schon mit 250 Praktikumsplätzen doppelt so viele, wie bezahlt werden können. Und das sind nicht nur Betriebe, die keine Azubis finden können. Das ist die ganze Sparte, vom kaufmännischen Bereich bis hin zum Handwerksbetrieb.

Wer steckt hinter Quas?

Hamburg mit der Hälfte der Finanzierung – etwa zwei Millionen Mark. Die andere Hälfte kommt aus dem Bundesarbeitsministerium. Zur Zeit suchen wir aber nach neuen Mitteln, um das Projekt sogar noch auszubauen.

Ließe sich das über eine Verlagerung herkömmlicher Fördermittel für die Integration Jugendlicher hin zu Quas finanzieren?

Das könnte ich nur befürworten. Ich vertrete ganz klar die Meinung, daß wir aufhören müssen, Jugendliche weit weg von der Realität aufzubewahren in irgendwelchen schulischen Qualifizierungsmaßnahmen, daß wir Maßnahmekarrieren gebähren, aus denen Jugendliche nicht mehr herauskommen.

Kann man Quas auch auf Bremen anwenden?

Wenn die Schulkapazitäten und die Finanzen stimmen. Betriebswirtschaftlich gesehen kostet Quas nämlich mehr als der herkömmliche Weg. Volkswirtschaftlich gesehen wäre das Modell aber bei einer Integrationsquote von 50 Prozent der Renner. Denn die, die vermittelt werden, müssen nicht mehr aus Steuermitteln bezahlt werden.

Interview: Jens Tittmann