Die Zukunft blitzt ab

Im Finale der Tischtennis-WM setzt sich Altmeister Jan-Ove Waldner gegen den jungen Samsonow durch  ■ Von Ronald Reng

Manchester (taz) – In seinem bittersten Moment erfährt Wladimir Samsonow, wie es aussieht, wenn das Glück einen umhaut. Nur weg von der Stätte seiner Niederlage will der junge Weißrusse, eilt mit gesenktem Blick und schon gezückter Hand auf die andere Seite der Tischtennisplatte, um Jan-Ove Waldner zu gratulieren. Doch der fällt einfach um.

Waldner wirft sich nicht auf den Boden, er springt nicht in die Luft. Er fällt einfach. Kurze Drehung, und auf dem Bauch liegt er, hin und her schüttelt ihn das Glück. Als er wieder steht, sagt er: „Das erste Mal, wenn du Weltmeister wirst, ist immer das schönste.“ Aber das war schwer zu glauben, wenn man in Manchester sah, wie er feierte, das zweite Mal Meister der Tischtenniswelt zu sein. „Das hier“, sagte Ulf Carlsson, der ihn in der schwedischen Nationalmannschaft trainiert, „ist sein größter Sieg. Tischtennis wird schneller und schneller, und Waldner ist 31.“

Waldner war die Vergangenheit, Samsonow die Zukunft, die im Finale der 44. Tischtennis-WM in Manchester aufeinandertrafen. „Er ist die einzige Hoffnung Europas gegen die Asiaten“, hatte Jörg Roßkopf schon vor einigen Monaten über den 21jährigen Samsonow gesagt, der vor vier Jahren aus Minsk zu einem Trainingslehrgang nach Heidelberg kam und seitdem in Düsseldorf lebt. Waldner selbst fühlt, daß es nicht mehr lange dauern wird, bis der Weißrusse die Rolle spielen wird, die er im letzten Jahrzehnt besetzte. „Er hat alles“, sagt Waldner, „seine Zeit kommt jetzt.“ Aber noch einmal wies der Schwede den Herausforderer ab. Aggressiv, jeden Schlag voll auf Angriff spielte Waldner, seine Aufschläge hatten so viel Drall, daß sie Samsonow, wenn überhaupt, nur schwächlich zurückbringen konnte. 21:12, 21:17, 21:13 siegte Waldner. Die langen Ballwechsel, die Samsonow liebt, ließ er nie zu.

Waldner stand 1982, mit 16, bereits im Endspiel der Männer-Europameisterschaft. Samsonow hatte im Alter von 18 dreizehnmal Jugend- und Schüler-Europameisterschaften gewonnen. Doch Waldner brauchte sieben Jahre in der Weltspitze und eine WM-Endspielniederlage (1987), bis er 1989 in Dortmund endlich Weltmeister wurde und 1992 Olympiasieger. Am Montag schickte er Samsonow, der „aussieht wie ein Student irgendeiner realitätsfernen Wissenschaft“ (das Fachorgan Deutscher Tischtennis Sport), auf denselben langen Weg.

In den ersten Tagen der WM, im Rahmen des Mannschaftswettbewerbs, hatte er Waldner, am Rande der Lächerlichkeit, um den Tisch gejagt. 21:6, 21:7 hieß es für den Jungen. Samsonow selbst nahm den Sieg nicht so wichtig, „da hat Waldner mit Sicherheit in der Nacht vorher schlecht geschlafen, das war der Grund“. Doch es waren die Tage, als etwa Glenn Östh, der neue schwedische Trainer der deutschen Männer, spottete: „Ich habe gehört, die Schweden haben ihr Konditionstraining mit Fußballtennis bestritten. Sie sind alt, vielleicht reicht die Motivation nur noch für Fußballtennis.“ Tatsächlich hat Waldner nicht mehr soviel trainiert wie vor zehn Jahren. „Wenn ich morgens aufstehe, spüre ich mein Alter“, sagt er lachend. Aber das Alter gibt ihm mehr, als es unzählige Dauerläufe könnten: Wenn er am Tisch steht, ist er ein Inbegriff der Ruhe. Keinen einzigen Satz verlor er in Manchester im Einzelwettbewerb.

Natürlich hat jemand gefragt, ob nun die Zeit des Abschieds gekommen sei. Ehe Waldner den Mund aufmachen konnte, sagte Doppelpartner Jörgen Persson: „Olympische Spiele 2004 in Stockholm spielt er noch.“ So weit mochte Waldner selbst nicht denken. „Wenn ich merke, es geht in der Weltrangliste runter“, sagte der derzeit auf Platz zwei Notierte, „dann mache ich Schluß.“