: Tricks beim Grünen Punkt
Das Duale System schönt seine Verwertungsbilanz. Der Bundesrat verhindert mit einer Zufallsmehrheit eine neue Verpackungsverordnung ■ Von Gudrun Giese
Berlin (taz) – An die grünen Punkte auf den Verpackungen haben sich die Bundesbürger gewöhnt; ebenso daran, daß sie geleerte Joghurtbecher und Weißblechbüchsen in gelbe Tonnen zu werfen haben. Das Duale System Deutschland jedenfalls, die für Verpackungsmüll zuständige Institution, ist schwer zufrieden: 1996 sammelte sie 5,5 Millionen Tonnen Verpackungen; das entsprach 86 Prozent der Verkaufsverpackungen aus Haushalten und Kleingewerbe.
„Gegenüber dem Vorjahr hat das Duale System ein paar neue statistische Tricks angewendet“, kommentiert Andreas Golding vom BUND die Zahlen. Fragwürdig sei die Zuordnung der einzelnen Müllsorten. Denn seit 1996 muß das Duale System laut Verpackungsverordnung bei der Verwertung (Recycling) des gesammelten Materials hohe Quoten erfüllen; für Glas, Weißblech und Aluminium liegen sie jeweils bei 72 Prozent der gesammelten Verpackungen, bei Papier/Pappe, Kunststoffen sowie Verbundmaterialien bei jeweils 64 Prozent.
Um die hohe Alu-Verwertungsquote einzuhalten, sortierte das Duale System einfach die Müllfraktionen neu: Ging man 1995 noch von rund 90.000 Tonnen Aluverpackungs-Verbrauch aus, wurden 1996 lediglich rund 44.500 Tonnen registriert. Der Grund: „Das Duale System hat einen Großteil der Alu-Verpackungen den Verbundverpackungen zugerechnet“, so Andreas Golding. Auf diese Weise konnte die Grüne- Punkt-Firma die Alu-Verwertungsquote von 72 Prozent überspringen. Die übrigen erfaßten Alu-Verpackungen wurden den Verbundmaterialien zugeschlagen, für die nur eine Recyclingquote von 64 Prozent gilt.
Ebenso problematisch aus Goldings Sicht: Das Duale System ziehe zweierlei statistische Grundlagen heran. Die Daten über den Verpackungsverbrauch liefere die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung; die Sammel- und Verwertungsmengen erfaßten die Sortierbetriebe selbst. Und die sind interessiert, die Quoten hochzujubeln, denn sie leben von den verbraucherfinanzierten Grüne- Punkt-Gebühren.
Unterdessen ist die von Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) geplante Novellierung der Verpackungsverordnung vom Tisch. Ende April kippte der Bundesrat mit einer Zufallsmehrheit den Entwurf des Ministeriums. „Damit konnte das Schlimmste verhindert werden“, so der bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Jürgen Rochlitz. Der Merkel-Entwurf zielte darauf ab, die Verwertungsquoten aufzuweichen.
Die Bündnisgrünen fordern nun, der Abfallvermeidung ernsthaft zur Geltung zu verhelfen und ein flächendeckendes Mehrwegsystem einzuführen. Der BUND wiederum verlangt von der Politik, verstärkt Druck auf den Handel auszuüben, mehr Mehrweg anzubieten. Und schließlich soll es eine neue EU-Verpackungsrichtlinie geben, die eventuell eine Verpackungssteuer beinhalten wird. Nur – verabschiedet wird die Richtlinie voraussichtlich erst im Jahr 2000.
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