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Teilzeit ist unmännlich

■ Mit flexiblen Arbeitszeitmodellen geht es kaum voran. Arbeitsmarktforscher will "ideologische Hürden" beseitigen

Nürnberg (taz) – „Wer lange arbeitet, gilt als tüchtig, wer kürzer arbeitet als schräger Vogel.“ Für Bernhard Teriet vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist es kein Wunder, daß sich gerade die Deutschen so schwer tun mit der Teilzeit. Deren Quote liegt hierzulande, bezogen auf Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten, mit 19,2 Prozent weit hinter den Niederlanden (37,4) und sogar hinter Japan (21). Die vielfältigen Appelle, mit Mobilzeit und einer vermehrten Teilzeitbeschäftigung die hohe Arbeitslosigkeit zu senken, gehen offenbar ins Leere.

Was für IAB-Chef Gerhard Kleinhenz ein Problem der „langsamen gesellschaftlichen Lernprozesse“ ist, ist für Teriet „ein ideologisches Problem“. Möglichst langes Arbeiten gelte in der „männerdominierten Arbeitswelt“ noch immer als höchster Wert. „Ein ganzer Mann kann bei uns eben noch kein Teilzeitmann sein“, lautet das Fazit des IAB-Forschers, der sich seit über 20 Jahren mit Arbeitszeitmodellen beschäftigt.

Da Arbeits- und Betriebszeiten zusehends entkoppelt werden, macht es, so Teriet, keinen Sinn mehr, sich „einem bestimmten Zeitdiktat zu unterwerfen“. Das Leitbild des „Normalarbeitsverhältnisses“ mit acht Stunden pro Tag, fünfmal die Woche und 45 Wochen im Jahr müsse hinterfragt werden. Angesichts einer Arbeitsplatzlücke von fünf bis sieben Millionen laute die Devise „Lieber kürzer arbeiten, als lange arbeitslos zu sein“.

Besonders schwer tun sich nach seinen Erhebungen die Männer. Sie besetzen nur drei Prozent der Plätze. Auch in Branchen wie dem Baugewerbe oder dem Maschinenbau liegt die Teilzeitquote weit unter dem Durchschnitt. Führend sind Handel, Dienstleistungen und private Haushalte.

In einer Studie von 1995 kamen die IAB-Forscher Hans Kohler und Eugen Spitznagel zum Ergebnis, daß fast die Hälfte der Männer und mehr als die Hälfte der Frauen kürzer arbeiten wollen. Trotz Einkommenseinbußen. Daraus errechneten sie ein freiwerdendes Volumen von 33 Millionen Wochenstunden. Das entspricht zusätzlichen fünf Millionen Teilzeitstellen und einem Mehrbeschäftigungspotential von 2,4 Millionen. Doch den Wünschen der Beschäftigten stehen hohe Hürden entgegen. „Teilzeitarbeit wird unter den verschiedenen kostenrelevanten Aspekten überwiegend negativ beurteilt“, ergaben entsprechende Betriebserhebungen. Positive Faktoren wie eine höhere Leistung pro Arbeitsstunde und geringere Fehlzeiten fallen kaum ins Gewicht. Unter dem Strich ist die Teilzeitquote von 1960 bis 1996 dennoch von drei auf über 19 Prozent gestiegen. Der Grund für den langsamen, aber stetigen Zuwachs von Teilzeitstellen gibt den Arbeitsmarktforschern jedoch zu denken. So wurden in den letzten zehn Jahren fast ausnahmslos aus Vollzeit- rationalisierungsbedingt Teilzeitplätze gemacht. Zusätzliche Stellen waren also Fehlanzeige. Für die IAB-Wissenschaftler ein „ernüchternder Befund“.

„Flexibilisierung von Arbeits- und Betriebszeiten kann fehlende Nachfrage zwar nicht ersetzen, aber sie ist ein Beitrag zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit“, betont Teriet. Er fordert daher, möglichst rasch das Image der Teilzeitarbeitenden zu verbessern. Öffentliche Arbeitgeber sollten beispielhaft vorangehen, und Beispiele für „intelligente Teilzeitmodelle“ gäbe es genug.

Als mustergültig führt er den Schweizer Waagenhersteller Mettler-Toledo an. Der hat den 200 Mitarbeitern in seinem Werk in Albstadt (Baden-Württemberg) so weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten der persönlichen Arbeitszeit eingeräumt, daß der zulässige Schwankungsrahmen dort im Monat plus/minus 72 Stunden beträgt. Bernd Siegler

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