Gewerkschafter protestieren gegen DGB

■ Demonstration vor DGB-Zentrale gegen die Reform des Rechtsschutzes

Berlin (taz) – Es war ein ungewöhnlicher Rollentausch für den DGB-Vorsitzenden Dieter Schulte. 300 Gewerkschaftsangestellte zogen gestern vor die DGB- Zentrale in Düsseldorf und forderten von Schulte klare Zusagen – diesmal in seiner Funktion als obersten Arbeitgeber.

Seitdem im DGB darüber diskutiert wird, den Rechtsschutz umzustrukturieren und den 15 Einzelgewerkschaften zu übertragen, geht bei den DGB-Angestellten die Angst um. Mehr als 1.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr, befürchten die hauseigenen Betriebsräte. Schulte, der auch die Interessen der Einzelgewerkschaften im Auge behalten muß, machte gestern keine Zusagen. Er wolle aber Entlassungen vermeiden. Es gehe eben nicht nur um den Rechtsschutz, sondern um die Reform des gesamten DGB, so Schulte. Enttäuscht über die vagen Formulierungen ihres Gewerkschaftsvorsitzenden waren die Betriebsräte. Sie hatten auf eine Arbeitsplatzgarantie gedrängt.

Streit hatte das Thema bereits auf dem letzten DGB-Bundeskongreß im November vergangenen Jahres ausgelöst. Allen voran die Gewerkschaft Bergbau und Energie plädierte in Dresden für die Übertragung des Rechtsschutzes an die Einzelorganisationen. Das Angebot juristischer Beratung – insbesondere bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen – sei eines der wichtigsten Mittel, mit denen neue Mitglieder gewonnen werden könnten. Folglich müsse die juristische Beratung dezentralisiert werden und dem Dachverband entzogen werden. Jährlich entrichtet jede Gewerkschaft zwölf Prozent ihrer Beitragseinnahmen an den DGB und ist zugleich verplichtet, den Rechtsschutz des Dachverbandes für ihre Mitglieder zu übernehmen. Doch viele der größeren Einzelgewerkschaften sind über die ihrer Ansicht nach unzureichende Arbeit des Rechtsschutzes verärgert. Ein Mitglied der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte in Dresden gar darauf hingewiesen, daß seine Organisation in den letzten 18 Jahren rund 54 Millionen Mark an den DGB überwiesen habe, ohne daß die GdP den Rechtsschutz überhaupt genutzt habe. Die spezielle Situation bei der Polizei mache häufig sofortigen Rechtsschutz nötig, die der DGB nicht bieten könne. In Dresden waren zwar keine Beschlüsse gefaßt, der Bundesvorstand aber beauftragt worden, bis zum ordentlichen Bundeskongreß 1998 ein Konzept zu präsentieren. Gestern nun hieß es, die DGB-Spitze wolle schon bis Anfang Juli über die Zukunft des Rechtsschutzes entscheiden. Severin Weiland