Bettlererlaß, zweiter Versuch

Vertrauliches Senatspapier empfiehlt Polizeiverordnung gegen Betteln  ■ Von Elke Spanner

Hinter den Kulissen des Hamburger Senats wird fleißig weiter an einem neuen „Bettler-Erlaß“gewerkelt. Der taz liegt ein vertrauliches Papier der Justizbehörde vor, in dem sie die juristischen Möglichkeiten durchprüft, gegen „aggressive Bettelei“vorzugehen. Der Vorschlag aus dem Hause des allseits als liberal gehandelten parteilosen Senators Wolfgang Hoffmann-Riem: Durch Erlaß einer schlichten Polizeiverordnung soll Hamburgs Ordnungshütern ermöglicht werden, gegen Leute vorzugehen, die andere um Spenden bitten.

Die sieben Hamburger Bezirke, die Senatskanzlei, die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS), die Innen- sowie die Baubehörde wurden zur Stellungnahme bis Mitte dieser Woche aufgefordert. Ob deren ebenfalls „vertrauliche“Voten rechtzeitig eingegangen sind und wie sie lauten, war bis gestern allerdings nicht zu erfahren.

Der Vorschlag der Justizbehörde basiert auf Vorbildern aus anderen Städten. In Erfurt, Stuttgart und Frankfurt gibt es entsprechende Polizeiverordnungen. In Stuttgart ist sogar das Betteln an sich untersagt. So weit soll sich Hamburg jedoch nicht vorwagen, empfiehlt die Justizbehörde. Sie unterscheidet zunächst verschiedene Formen: Das einfache Fragen nach Geld, das „sozial inadäquate aggressive Betteln“sowie alles, was „die Strafbarkeitsschwelle“überschreitet.

Das Behördengutachten erfaßt den Zwischenbereich, in dem noch nicht mit dem Strafrecht zugelangt, jedoch auch kein Auge zugedrückt werden soll. Wenn die Adressaten „bedrängend angesprochen, berührt oder gar festgehalten oder durch In-den-Weg-Stellen bedrängt werden“, so umreißt das Amt seine „Problemdarstellung“, könne eine Polizeiverordnung Einhalt gebieten.

Gegen eine solche Regelung spreche, soweit erkennt die Jusitzbehörde die Brisanz des Gutachtens, daß sie von der Bevölkerung als Versuch „fehlinterpretiert“werden könnte, der Senat bekämpfe nicht die Ursachen sozialer Verelendungen, sondern wolle Bettelei letztlich nur mit repressiven Mitteln aus dem Stadtbild verdrängen. Zudem würden durch diese repressiven Maßnahmen Polizisten gebunden, die für gewichtigere Maßnahmen benötigt würden.

Andererseits gebe es auch Argumente für ein härteres Druchgreifen: Das Betteln in „seinen nachdrücklichen Formen“habe zugenommen und werde von großen Teilen der Bevölkerung „mit Recht“als nicht mehr hinnehmbare Belästigung empfunden. Viele Betroffene, und hiermit sind die Adressaten von Bettelei gemeint, würden staatliches Einschreiten erwarten. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, daß sich der Staat in einer Weise von dieser Aufgabe zurückziehe, die BürgerInnen dem aggressiven Betteln ohne Gegenmaßnahmen aussetze.

Erst Anfang dieser Woche hatte Bürgermeister Henning Voscherau die Debatte um die „innere Sicherheit“mit seiner Rede von „Schönwettergesetzen“für Kriminelle neu inszeniert. Seine im Vorjahr bei der Innenbehörde in Auftrag gegebene erste Fassung eines „Bettler-Erlasses“war in der Öffentlichkeit auf vehemente Kritik gestoßen. Nach einer hitzigen Bürgerschaftsdebatte am 29. Oktober war er zurückgezogen worden. Offiziell.