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Visionen von der Stadt am Fluß

Neue City südlich der Speicherstadt soll Hamburg attraktiver machen und die Hafenerweiterung in Altenwerder finanzieren  ■ Von Heike Haarhoff

Gewichtig blickte Henning Voscherau (SPD) am Mittwoch von seiner Kanzel im Großen Rathaussaal auf das Volk herab. Über ihm nur noch Himmel, Hafen, Kähne. Eine „historische Entscheidung“hatte er, der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, feierlich kundzutun: Nach 100 Jahren künstlicher Trennung von City und Hafen soll die „Metropole am Wasser“wieder zusammenwachsen. Die Innenstadt, so verkündete er vor dem noblen Übersee-Club, wird in den Hafen hinein erweitert (siehe Bericht S. 5).

Dazu sollen Kaimauern, Hafenbecken und -betriebe am innerstädtischen Hafenrand südlich der Speicherstadt stillgelegt und bis 2040 in ein Wohn- und Dienstleistungszentrum für „Medien, Tourismus und Kultur“umgewandelt werden. Auf daß, so Voscheraus „Vision“für das „Generationenprojekt“, die Hansestadt über einen attraktiven Stadtkern „mit hamburg-typischem Ambiente“verfüge. Und zudem ausreichend Flächen habe, um „die Entwicklungs-chancen aus EU-Erweiterung und Ostöffnung“nutzen zu können.

Die neue Hafen-City soll in inselartiger Sahnelage rund um den Grasbrookhafen und bis zu den Norderelbbrücken entstehen. Die 103 Hektar große Fläche entspricht der Hälfte des jetzigen City-Areals zwischen den Wallringen. Die nördlich angrenzende historische Speicherstadt selbst bleibt von der Umwandlung verschont. Die übrigen Flächen, allesamt in städtischer Hand, sollen aus dem gesetzlichen Hafengebiet herausgenommen, verkauft oder verpachtet werden. Voscherau rechnet mit „vielen Milliarden“Mark Privatinvestitionen und Kassengeklingel bei der Stadt.

Zunächst aber müssen mehrere Betriebe mit insgesamt 1000 Beschäftigten dem, wie der parteilose Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus sich begeisterte, „Meisterstück des strategischen Weitblicks“weichen. Doch Hamburg, grinste der Regierungschef listig, habe auch hier vorgesorgt: In den „langen Jahren“, in denen er „mit einem kleinen Team“und unter strengster Geheimhaltung sein Projekt vorantrieb, wurden Betriebe „pfleglich“umgesiedelt, Erweiterungen erst gar nicht genehmigt und Grundstücke aufgekauft.

Um das eigene Stadtsäckel zu schonen, wurde bereits 1995 die Hamburger Hafen- und Lagerhausaktiengesellschaft (HHLA) überredet, eine Tochtergesellschaft GHS zu gründen – eigens zu Zwecken der „Hafen- und Standortentwicklung“. In aller Stille hat diese sich Firmen und Nutzungsrechte einverleibt. Spätestens bei der Aufteilung des gigantisch geplanten Containerterminals in Altenwerder dürfte sich die Stadt bei der HHLA revanchieren.

Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow (SPD) prophezeite, die „Rückkehr ans Wasser“werde nicht die letzte Veränderung des Stadtgesichts sein. „Wie keine andere deutsche Stadt“werde Hamburg, was „Wertschöpfungsstrukturen und Flächennutzung angeht“, einen Wandel durchlaufen. Der erste stehe unmittelbar bevor: Bundeswehr, Post und Bahn wollen großflächig Standorte aufgeben.

Während die Handelskammer die Stadterweiterungspläne als „großen Wurf“für das 21. Jahrhundert bezeichnete, mußte die Opposition angestrengt nachdenken, um an der Voscherau-Vision mäkeln zu können. Die CDU bat sich Bedenkzeit bis zur einer Pressekonferenz am Sonntag aus. Die GAL warnte lediglich, vor lauter Gewerbetraum drohe der Wohnungsbau ins Wasser zu fallen. Was im Hafen ein wahrhaftiges Risiko wäre.

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