Durch's Dröhnland
: Heroische Choräle

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Im vergangenen Jahr brachten die Skeptiker pünktlich zum zehnjährigen Bandjubiläum „Frühe Werke“ mit haufenweise Unveröffentlichtem aus ihren Anfangstagen heraus, aus einer Zeit also, in der es für eine kleine Ostberliner Punkband so aussah, als sollte sie niemals auf Platte gepreßt werden. Schön läßt sich so die Entwicklung von Eugen Balanskat und seinen Mannen vom übermütigen Schrammelpunk zum eher schwermütigen Schwermetall nachhören. Beim alten geblieben ist der Hang zum heroischen Choral, den man bei den Dead Kennedys gefunden hat.

9.5., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176

Splatter Ease sind ein Teilzeitprojekt von Wohnung, die ja auch keine richtige Band sein wollen, weswegen eh dann doch wieder „alle da sein“ werden, so ist es versprochen. Bei Splatter Ease liefern allerdings maschinelle Rhythmen die Grundsubstanz, auch wenn als ganz dämlicher Witz dann Deep Purple eingesamplet wird. Auf der Bühne wird außerdem noch auf Instrumenten geklimpert, was an der Elektronik verbrochen, und aus Ambient wird ganz schnell Illbient.

9.5., 22 Uhr, Karel Duba, Warschauer Straße 80 und am 11.5., 21 Uhr, St. Kolda Trips Drill, Bernauer Straße am Mauerpark

Es gibt Bands aus Außerirdidischen (GWAR), Bands aus Mensch-Maschinen (Kraftwerk) und zuletzt auch Bands aus Robotern wie Man Or Astroman. Deren Schlagzeugroboter hat mit ein paar befreundeten Blechkisten Servotron gegründet. Die Modelle OOzX1, Proto Unit V-3, Z4-OBX und Gammatron sind überaus glitzernd und kommen aus Finnland zu uns, aber haben sich netterweise „entschieden, wieder einmal von Menschen hergestellte Instrumente zu benutzen, um den potentiellen Hörer zu befriedigen“. Um uns Humanoiden nicht zu sehr zu verwirren, lassen sie es auch an Melodie nicht fehlen. Anhören tut sich diese Begegnung der dritten Art allerdings wie die B-52's, aufgemotzt mit ein paar elektronischen Geräuschen aus dem Kindergartensampler. Also ziemlich lustig.

11.5., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224

Die bekanntesten Finnen aber bleiben weiterhin Menschen, auch wenn aus waltari demnächst keine Roboter, sondern Superstars werden sollen, wie ihre Plattenfirma hofft. Und dazu hat man den ehemaligen Hoppelpunks einen neuen Produzenten verpaßt, der all die vielen Einflüsse endlich unter einen Hut bringen sollte. Und der ebenso fürchterlich gescheitert ist wie der alte. Die Grunge- Breitwandgitarren, die er Kärtsy Hatakka und den anderen Spinnern verpaßt hat, machen ihre Musik nur unwesentlich weniger sperrig. Vom Norden in den Süden: In Stuttgart hat die ehemalige Death-Metal- Band Pyogenesis die Schönheiten eines gemütlichen Gitarrenrocks entdeckt. Musikalisch gibt es kaum Gemeinsamkeiten, aber auch hier träumt die Plattenfirma von „Europas mittlerweile heißestem Export in Sachen melodischem Alternative Rock“. Die Musik ist besser als das, versprochen.

12.5., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41

Auch die hoffnungslosen Romantiker M. Walking on the Water wollten dieser Tage nicht abseits stehen und haben auf ihrer letzten Platte „file“ vermehrt versucht, elektronische Klangerzeugung einzubauen. Den alten Moog und die Sampler kann man hören, wenn man sich anstrengt. Hin und wieder findet sich ein Techno-Loop, der aber bald zugeschüttet wird von den Geigen und den anderen warm atmenden Instrumenten, von den melancholischen Melodien und dicken Gefühlen, mit denen die Krefelder bekannt geworden sind. Wenn etwas mit diesem Versuch bewiesen wird, dann daß die Elektronik heute so gut geworden ist, daß ihr Einsatz noch lange nicht automatisch für eine veränderte Stimmungslage bürgt.

12.5., 21 Uhr, Knaack

Die einen (Huhu, Gerrit!), die die Hamburger Schule ganz für sich allein entdeckt zu haben glaubten, halten sie für abgeschmackten Ausverkauf, den anderen sind sie viel zu krude. Da hat auch der schnelle und gut dotierte Vertrag mit der Industrie nichts geholfen, Samba sitzen zwischen allen Stühlen. Sie sind bei weitem nicht so kopflastig wie Blumfeld, noch lange nicht so dummbatzig wie Selig. Dabei ist es doch wahrscheinlich einfach so: Was soll ein junger Mann aus Münster schon anderes tun, als in einer Rock'n'Roll-Band zu spielen? Leider nur hat das Trio für ihre zweite Platte „t.b.a.“ die bratzigen Gitarren zur Seite gelegt und ist alles etwas ruhiger angegangen. Nun hört man die Überflüssigkeiten der Texte noch deutlicher, und als Grundaussage bleibt dann wohl nur: die Sprachlosigkeit einer Generation – oder so. Vielleicht soll es auch Folkrock sein, was ja dann irgendwie auch wieder okay ginge.

13.5., 21 Uhr, Huxley's Cantina, Hasenheide 108-114

Als Scanner sammelt Robin Rimbaud Umweltgeräusche und baut daraus sacht flimmernde Tracks, die einerseits durchaus tanzbar sind, andererseits manchmal mehr über das Leben in einer Großstadt erzählen als ein Blick in den Lokalteil der Zeitung. Berühmt wurde der Engländer durch den Skandal, den er in seiner Heimat auslöste, als er private Handygespräche mitschnitt und in seine Musik einbaute, aber die Wortkomponente hat er zuletzt fast völlig ausgeblendet. Und bei Auftritten ist er, wenn es möglich ist, 24 Stunden zuvor bereits in der Stadt, sammelt dort alle typischen Klänge, mixt dann live und läßt, wie er es ausdrückt, „ihre eigene Umgebung auf die Leute zurückfallen“.

15.5., 21 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6 Thomas Winkler