■ In Zaire nähert sich Mobutus Ära rapide ihrem Ende. Sein Nachfolger Kabila ähnelt ihm mehr, als es den Anschein hat
: Neuer Herrscher, alte Struktur

Zaires alter Despot ist sich treu geblieben. Auch in den letzten Tagen im Amt interessierte sich Mobutu Sese Seko nicht für die politische Zukunft seines Landes oder das Wohl der Bevölkerung, sondern einzig und allein für seine eigenen Belange. Die Agonie seiner Herrschaft war quälend.

Das war zu erwarten. Kaum einer der langjährigen alten Herrscher Afrikas ist mit Stil von der politischen Bühne abgetreten. Ausnahmen sind lediglich Kenneth Kaunda in Sambia, der 1991 seine Wahlniederlage widerstandslos akzeptierte, und Julius Nyerere in Tansania, der bereits 1985 freiwillig als Präsident zurückgetreten war. Sie sind rühmliche Einzelfälle auf einem Kontinent, wo allzu viele, einmal an die Macht gelangt, sich nur noch durch einen Bürgerkrieg wieder aus dem Amt vertreiben lassen.

Vor diesem Hintergrund ist nicht erstaunlich, wie würdelos der Machtwechsel verlief, sondern wie unblutig er bisher vonstatten ging. Daran ändern auch die allerletzten Gefechte vor dem endgültigen Sieg der Rebellen nichts. Als die Aufständischen letztes Jahr ihren Feldzug begannen, da hatten viele Beobachter einen Zerfall Zaires vorhergesagt, mindestens jedoch zermürbende Kämpfe, unter denen wieder einmal vor allem Zivilisten zu leiden haben würden.

Nichts von alledem. Ein paar Scharmützel, das war's. Von der Bevölkerung wurden die Rebellen landauf, landab jubelnd als Befreier gefeiert. Wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, wie satt die Zairer ihren raffgierigen, verantwortungslosen Präsidenten, sein abgewirtschaftetes Regime und seine marodierende Armee hatten – die Ereignisse der letzten Monate hätten ihn geliefert.

Also ein Happy-End? Zaire auf dem Weg in eine blühende Zukunft? Das ist zu bezweifeln. Rebellenchef Laurent Kabila verkörpert ebenso wie Mobutu den autokratischen Herrscher alten Stils. Noch ist es zwar für ein endgültiges Urteil zu früh. Aber einige Hinweise auf das, was dem rohstoffreichen, bettelarmen Land bevorstehen könnte, hat es in den letzten Monaten gegeben.

Kabilas öffentliche Auftritte erinnern fatal an Verhaltensweisen traditioneller afrikanischer Diktatoren. Noch hatte seine Allianz nicht einmal die wichtigsten Provinzen des Landes erobert, da ernannte er bereits flugs seinen Sohn zum Gouverneur. Er läßt sich schon heute gerne „Präsident“ nennen. Auch ihm schien es, ebenso wie Mobutu, bei den Verhandlungen über den Machtwechsel vor allem um sein eigenes Prestige zu gehen.

Natürlich muß der Rebellenchef Rücksichten nehmen, nicht zuletzt auf den Wunsch vieler seiner Kämpfer nach einem sichtbaren Zeichen der Demütigung Mobutus. Schließlich ist noch nicht sicher ausgemacht, daß Kabila am Schluß tatsächlich als Sieger dastehen wird, wenn innerhalb seiner eigenen Allianz die Machtfrage konkret beantwortet werden wird. Aber bislang hat sich neben ihm kein Rivale gleichwertig etablieren können. Und die Entwicklungen der letzten Jahre in anderen afrikanischen Ländern haben gezeigt, daß beim Abgang eines langjährigen Herrschers eine Dynamik entsteht, die gleichsam zwangsläufig auf einen neuen starken Mann an der Spitze des Staates und nicht etwa auf pluralistische Strukturen zuläuft.

Nach dem Ende des Kalten Krieges waren in Afrika Blütenträume von Demokratisierung und Aufschwung gereift. Nun, wo die Stellvertreterkriege der Weltmächte der Vergangenheit angehören und damit auch die massive ausländische Einmischung ein Ende finden würde, könnten die Völker ihre Zukunft selbst bestimmen und das Joch der Diktatur abschütteln. Das war zu Beginn der 90er Jahre vor allem in den Reihen der städtischen Mittelschichten eine weitverbreitete Hoffnung. Sie hat sich zerschlagen.

Zwar versuchen seit dem Ende des Krieges der Systeme ausländische Industrienationen tatsächlich keine weltanschaulichen Siege mehr zu erringen. Bestimmenden Einfluß aber haben sie auch weiterhin. Die Milliardenverträge, die US-Firmen gerade mit Kabilas Allianz über die Ausbeutung von Rohstoffen geschlossen haben, liefern den Rebellen die finanzielle Basis für ihre Macht. Daß die USA sich dabei ausschließlich von eigenen wirtschaftlichen Interessen haben leiten lassen und zu erkennen geben, daß ihnen die internen Verhältnisse in Zaire herzlich gleichgültig sind, verringert ihren Einfluß nicht.

Fast überall in Afrika, wo ein Machtwechsel stattgefunden hat, hängen jetzt zwar Porträts eines neuen Präsidenten in Büros und Lokalen. Von neuen Programmen und Strukturen aber ist wenig zu sehen, nicht einmal dort, wo die Opposition in Mehrparteiensystemen offiziell legalisiert worden ist. Besonders augenfällig ist das in Sambia: Ausgerechnet Joseph Chiluba, der als erstes frei gewähltes Staatsoberhaupt der neuen Ära für kurze Zeit zum Hoffnungsträger der demokratischen Kräfte des ganzen Kontinents geworden war, bedient sich jetzt exakt derselben Methoden wie einst sein Vorgänger Kaunda, um an der Macht zu bleiben.

Es ist kein Zufall, daß in Zaire nur ein Mann des bewaffneten Aufstands den Sturz Mobutus herbeiführen konnte und kein Vertreter der zivilen Opposition. Die Schwäche der Demokraten hat historische Gründe. Die belgischen Kolonialherren hatten sich in besonders hohem Maße darum bemüht, die Bildung einer afrikanischen Elite zu verhindern. Sie waren dabei außerordentlich erfolgreich. Bei der Unabhängigkeit fanden sich im ganzen Land nicht einmal zwanzig einheimische Universitätsabsolventen. Das war ein Nährboden, auf dem nach der Fremdherrschaft die einheimische Diktatur gut gedeihen konnte.

In Zaire ebenso wie überall sonst in Afrika holten sich Staat und Regierung die Angehörigen der kleinen Elite. Denen blieb oft keine Wahl. So ist die für Außenstehende oft verwirrende Tatsache zu erklären, daß die Wortführer der Opposition – sei es in Somalia, in Kenia oder eben in Zaire – meist einst am selben Kabinettstisch wie die jetzt von ihnen bekämpften Gegner saßen.

Laurent Kabila kann sich das Verdienst anrechnen, mit Mobutu wirklich niemals gekungelt zu haben. Das ist ein Pfund, mit dem er wuchert. Seine Forderung, in der Übergangsregierung dürften sich keine Kollaborateure finden, schließt alle außer den Angehörigen seiner eigenen Allianz aus. Das ist ein nicht uneleganter Schachzug, der aber für die politische Zukunft des Landes wenig Grund zur Hoffnung bietet. Bettina Gaus