Bayerns Polizei schnappt führenden Mafioso

■ In Neu-Ulm wurde jetzt ein seit langem gesuchtes Mafiamitglied auf offener Straße verhaftet. Er soll gute Kontakte zum Ex-Mafiapaten im Allgäu gehabt haben

Kempten (taz) – Dem bayerischen Landeskriminalamt und einer Spezialeinheit des Polizeipräsidiums Schwaben ist in Neu-Ulm ein dicker Fisch ins Netz gegangen: der 36jährige italienische Drogenhändler Pietro B. aus dem kleinen sizilianischen Ort Adrano. Pietro B. ist Mitglied des berüchtigten Cosa-Nostra-Clans „Santapaola“ und ein guter alter Bekannter der Fahnder.

Offenbar spielt der jetzt Verhaftete eine nicht unwichtige Rolle bei der Neuordnung der Mafiaclans in Süditalien. Er wurde auf offener Straße in der Nähe des Neu-Ulmer Landratsamtes festgenommen. „Wir konnten in einem günstigen Moment zugreifen, Pietro leistete keinen Widerstand“, erklärte nach der Festnahme der Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt Bayern, Josef Geißdörfer. Daß die italienische Justiz, von der auch der Tip kam, bereits die Auslieferung beantragt hat, liegt an einem großen Rauschgiftdeal, der in Turin aufgeflogen ist. Fast fünfeinhalb Tonnen Kokain wurden bei einer Großaktion der italienischen Polizei 1993 sichergestellt. Seither wird der mutmaßliche Mittäter und Drogendealer B. gesucht. Die Festnahme könnte sich als noch bedeutender herausstellen als zunächst angenommen, denn Pietro B. unterhält laut Geißdörfer beste Kontakte zu einem anderen Mafioso, der den deutschen Behörden bestens bekannt ist. Es handelt sich um den einstigen Paten der Mafia im Allgäu, Vito di Stefano, der jahrelang von einer Pizzeria in Memmingen aus die Fäden gezogen haben soll. Di Stefano war erst Ende letzten Jahres aus deutscher Haft nach Italien abgeschoben worden. „Der hat mir noch hoch und heilig versprochen, er würde nie wieder ein krummes Ding drehen“, berichtet Mafiaspezialist Josef Geißdörfer. Inzwischen sei Vito di Stefano in Catania erneut verhaftet worden. Er soll den italienischen Behörden zufolge die Mordaufträge gegen zwei in Baden-Württemberg lebende Italiener erteilt haben. Zeitweise, so LKA-Spezialisten, seien in der Heimatregion von Vito di Stefano und Pietro B. doppelt so viele Morde verübt worden wie in Palermo. Das „Todesdreieck“ wird seit einem fürchterlichen Krieg unter den Mafiaclans die Ecke bei Adrano genannt. „In Salzsäure auflösen oder einbetonieren, das sind dort gängige Mordmethoden“, sagte schon am Rande der Kemptener Mafiaprozesse ein Cosa-Nostra-Experte des LKA. Spätestens seit der jüngsten Festnahme ist den Fahndern einmal mehr klar geworden, daß die Mafia nach wie vor auch in Deutschland äußerst aktiv ist. Das Allgäu und Bayerisch-Schwaben gelten nach wie vor als Rückzugs-, aber auch als Aktionsgebiet. Freilich werde hier viel vorsichtiger agiert als in Sizilien. Aber man müsse davon ausgehen, daß das ganze Register der Straftaten, vom Drogen- und Waffenhandel bis hin zur Schutzgelderpressung, auch hierzulande gezogen werde, so Geißdörfer. „Wir haben nach wie vor das Problem, daß die Opfer von Schutzgelderpressungen nicht bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten.“ Die Hoffnungen sind durch die jüngste Festnahme nicht gestiegen. Wenn jemand auspackt, droht beim nächsten Heimaturlaub Schlimmes. Nicht selten war der Anlaß für die nächste Heimfahrt ein plötzlicher Todesfall in der Familie. Klaus Wittmann