Blair will „einen großen Unterschied machen“

■ Sechs Tage nach der Machtübernahme ist Labours Regierungsprogramm fertig: Schwerpunkt Arbeit und Bildung. Wahlkampfthema Korruption wird zurückgestellt

London (taz/dpa) – Die neue britische Regierung legt ein Tempo an, als habe sie Angst, ihre Macht gleich wieder zu verlieren. Gestern, sechs Tage nach dem Wahlsieg, legte sie ihr Gesetzgebungsprogramm für die kommende Sitzungsperiode des britischen Unterhauses vor, das die Queen am Mittwoch nächster Woche zur offiziellen Parlamentseröffnung verlesen wird. Das Programm „spiegelt die Prioritäten des Wahlmanifests wider“ und „wird zeigen, daß ein Regierungswechsel einen großen Unterschied machen kann“, lobte Vizepremierminister John Prescott.

Geplant sind unter anderem Volksabstimmungen zur Einführung eigener Regionalparlamente für Schottland und Wales. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Erziehung und Arbeit. Ferner wird der 1993 abgeschaffte gesetzliche Mindestlohn wieder eingeführt. Maßnahmen gegen Korruption im Parlament, wegen der Labour im Wahlkampf viel Aufhebens gemacht hatte, werden bis zur Erstellung einer Studie über Parteienfinanzierung zurückgestellt. Im Juli wird Finanzminister Gordon Brown einen Sonderhaushalt vorlegen; Kern wird die Einführung einer Sondersteuer auf privatisierte Unternehmen zur Finanzierung der versprochenen Fortbildungs- und Arbeitsbeschaffungsprogramme sein.

Am Dienstag hatte Brown bereits der britischen Zentralbank eine beschränkte Unabhängigkeit gewährt: Sie darf jetzt den Leitzins selbständig bestimmen mit der Vorgabe, die Einhaltung der Inflationsziele der Regierung zu gewährleisten. Blair berief überdies den Vorsitzenden von British Petroleum (BP), David Simon, den er zuerst zu einem Europaminister machen wollte, zum Staatssekretär für Handel und Wettbewerb in Europa.

Am Mittwoch war das neugewählte Parlament zu seiner ersten Sitzung zusammengetreten. Premierminister Blair sagte, die „Bürde der Geschichte“ laste auf „unseren“ Schultern. Danach begann die Vereidigung der 659 Abgeordneten, die heute zu Ende gehen soll. Einer der Parlamentarier ist schon gestorben: der 64jährige Konservative Michael Shersby, der den Wahlkreis Uxbridge westlich von London nur knapp gehalten hatte.

Bei den Tories sind inzwischen sechs Bewerber für die Nachfolge John Majors als Parteichef aufgetaucht, darunter Ex-Finanzminister Kenneth Clarke und der Führer der euroskeptischen Rechten, John Redwood. Bessere Chancen als diese beiden Polarisierer rechnen sich Ex-Innenminister Michael Howard und der jugendliche Ex-Wales-Minister William Hague aus. Daneben stellen sich auch noch Ex-Gesundheitsminister Stephen Dorrell und Ex-Sozialminister Peter Lilley zur Wahl, die beide als eher farblos gelten. D.J.