Auf die Pappnase

700 Kinder und Jugendliche beim Internationalen Zirkusfestival in Nienstedten  ■ Von Judith Weber

Leute von der Presse, hat Ann-Katrin Glenz gelernt, sind langsam. „Die fragen immer: Kannst Du das noch mal wiederholen? Und dann muß man den Satz ins Mikro sprechen.“JournalistInnen schaut die 14jährige deshalb nicht nur skeptisch, sondern auch von oben herab an – mit ihren Stelzen ist die Artistin gute zwei Köpfe größer als die meisten ReporterInnen.

Aus dieser Höhe überblickt Ann-Katrin auch das Gewusel um sich herum. Der Eingang zum Zirkuszelt ist mit BesucherInnen verstopft. Nichts geht mehr. Aus dem Garderobenwagen lugt ein halbgeschminkter Clown, das Orchester stimmt seine Instrumente. Ungarische Satzfetzen mischen sich mit Kindergeschrei beim Internationalen Kinder/Jugend Circus- & Theaterfestival in Nienstedten. Zehn Tage lang, bis zum 19. Mai, wird es so oder so ähnlich zugehen.

„Das war in den letzten Wochen ganz schön anstrengend“, sagt Lasse Riel. Dreimal wöchentlich hat er geprobt, gemeinsam mit den anderen Feuerschluckern, „und dann noch die Wochenenden“. Für den 13jährigen ist das Festival ein Heimspiel. Er gehört zum Circus Mignon, einem Hamburger Projekt behinderter und nichtbehinderter Jugendlicher. Zirkusdirektor und Projektleiter Martin Kliewer hat das Festival organisiert.

700 Kinder aus zehn Ländern haben zugesagt, weshalb die Hallen der ehemaligen Elbschloßbrauerei in Teufelsbrück aussehen wie eine Mischung aus Campingplatz und Heim-Schlafsaal. Etagenbetten stehen neben Sporttaschen, auf dem Boden liegen Schlafsäcke. Gefrühstückt wird an Biertischen. „Wir pennen auch an ein paar Tagen hier“, verkündet der Hamburger Friedel Nemax. Der 13jährige könnte zwar genausogut zu Hause schlafen, aber „auf die Gemeinschaft kommt es an“, findet Kliewer. Die Gruppen aus Schweden, Ungarn, der Schweiz und Deutschland sollen einander nicht nur ihre Künste zeigen, sondern „gemeinsam essen, schlafen, eben zusammensein“. Viele Nienstedter haben Geld gespendet, damit Gruppen aus Osteuropa kommen konnten.

Bei der Eröffnung des Festivals scheint Kliewers Konzept aufzugehen. Die KünstlerInnen jonglieren, turnen und zaubern, was das Zelt hält, beklatscht von Konkurrenz und Eltern. Ein bunter Clown verarscht einen blauen, und Clownfrau Augustine ist eigentlich ein Junge. Im Herumalbern liegt die Stärke der momentanen Mignon-Gruppe: Elf der vierzig Kinder treten als Clown auf. Zufall, denn jeder darf seinen Traumjob wählen. „Die Kinder suchen sich das aus, was sie am nötigsten brauchen“, glaubt Kliewer. Und erzählt das Beispiel von dem stotternden Jungen, der Seiltänzer werden wollte. Niemand habe es ihm zugetraut, und als er es schaffte, verschwand das Stottern für lange Zeit.

In der Manege, sagt Kliewer, ist noch nie „ernsthaft was schiefgegangen“. Gut, einmal seien die StelzenläuferInnen auf die Nasen gefallen, weil man sie nach den FeuerschluckerInnen auftreten ließ. Der Boden war noch glitschig vom Öl, das beim Flammenpusten zurückbleibt. Also zündelt der Circus Mignon bei seiner Festival-eröffnung erst gegen Ende des Programms, als bereits alle Stelzen abgeschnallt sind. Und auf die Pappnase fällt höchstens einer der elf Clowns.

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