Die Sieger haben verloren

■ Ein Film über den italienischen Widerstand 1943 bis 1945

Nach dem Schwenk über die schneebedeckten Berge, der den Film einleitet, kommt der Piemont von heute nur noch selten vor. Denn mit den ungekürzten Protokollen von Interviews mit sechs PartisanInnen und einem Archivar sowie den nahtlos anschließenden Zwischentexten ist die Schilderung des antifaschistischen Widerstands in Mittel- und Norditalien ab 1943 eine in sich geschlossene Welt.

Da wirkt der Kommentar von Giovanni Longo, einem älteren Herrn mit Strohhut, der Streiks in den Betrieben mit organisierte, eher müde. Solidarität, das sei eine Lehre der Vergangenheit für die junge Generation. Schnell ist die Kamera auch schon ein Stück weiter und zeigt einen aus Feldsteinen errichteten Turm, auf dem Statuen als Wachposten Ausschau halten und an die deutsche Besatzungszeit von September 1943 bis April 1945 erinnern.

Nachdem Mussolini 1922 vom König berufen worden war, folgte nicht nur der Eintritt Italiens in den Spanischen Bürgerkrieg an der Seite Francos, sondern auch die Beteiligung am Weltkrieg. All das reicht der Videofilm von Katrin Brüggemann und Jürgen Weber detailliert nach, sofern es nicht in den Äußerungen der Zeitzeugen vorkommt. Hier liegt der Kern des Films, von dem die Archivaufnahmen durch ein Zuviel gelegentlich störend ablenken.

Bereits 1939, so erinnert sich Giovanni Longo, erlebt der Duce einen Vorgeschmack auf den Widerstand in der italienischen Bevölkerung. Einer Rede zur Eröffnung der Fiat-Werke in Turin blieb der verwartete Applaus aus. „Lest meine Rede doch nach!“ habe Mussolini geschnappt und das Ganze abgetan.

Weitaus ernster nahm man nach einem Generalstreik im März 1943 den Zusammenschluß von Königstreuen, Sozialisten und Kommunisten. Zuerst habe es nur Gerüchte gegeben. In den Kneipen, Betrieben und der Kirche sei nach und nach durchgesickert, daß in den Bergen um Turin noch Reste der desertierten Vierten Armee versteckt waren. Das Blockieren von Bahnverbindungen, um Waffentransporte, Gefangenendeportation und Kunsttransfer zu sabotieren, wurde bald zum eigentlichen Zweck der heterogen zusammengewürfelten Resistenza.

Die einzige Frau unter den Zeitzeugen, Mara Piovano, erläutert die Rolle der „Stafetten“, der weiblichen Nachrichtenkuriere. Ohne Aufgeregtheit und nennenswerte emotionale Bewegtheiten geht es im Erzählstil fort bis zur Selbstbefreiung Turins, kurz vor dem Einmarsch allierter Panzer.

Die ehemaligen Partisanen sind nach Kriegsende keine Sieger geblieben. Der neuen Verwaltung, so schließt resignativ der Kommentar, gelang es rasch, die bis dahin autonomen Widerstandskämpfer in Mißkredit zu bringen. Gudrun Holz

„Partisanen in Piemont“. Von Katrin Brüggemann und Jürgen Weber. Video, 60 Min. Ital. mit dt. Übs. Am 10.5. um 19 Uhr im Lichtblick-Kino, Wolliner Str. 19