■ Querspalte
: Schicksal und Muttertag

Genau zwei Jahre ist es jetzt her, daß mich mein Schicksal ereilte. Gut gelaunt und nichts Böses ahnend, wollte ich an einem lauen Mainachmittag den Dreijährigen aus der Kindertagesstätte abholen, da ertönte sein furchtbarer Ruf: Das Kind wurde aus dem Flur zurückbefohlen, weil es – verschwörerischer Blick der Erzieherin in meine Richtung – Wichtiges vergessen habe. Eifriges Getuschel im Nebenraum, aus dem sich schließlich mit fürchterlicher Klarheit das Wort „Muttertagsgeschenk“ heraushob. Was tun?

Das Phänomen kannte ich bis dahin allenfalls aus der Merci-Werbung. Praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet fehlten mir vollkommen. Schließlich war der vermeintliche Nazi-Feiertag schon im Haushalt meiner Eltern mit betonter Nichtachtung gestraft worden. Mit größter Selbstverständlichkeit hatte ich bisher angenommen, dieses Thema sei längst erledigt.

Dem Dreijährigen jetzt die Freude an seinem Selbstgebastelteten mit einem Vortrag über reaktionäre Frauenbilder zu versauen schien mir trotz allem übertrieben. Schließlich war es nicht seine Schuld, daß mir sein Geschenk irgendwie peinlich war.

Eine rasch durchgeführte und keineswegs repräsentative Umfrage unter anderen Müttern ergab ähnlich ambivalente Gefühle.

Einerseits ist der Muttertag natürlich das Letzte; andererseits ist es nett, wenn die eigenen Leistungen wenigstens einmal im Jahr honoriert werden, so der generelle Tenor. Im Hinblick auf unseren Sohn eröffnete sich schnell ein neues Problem.

Kaum hatte er sein Geschenk (schon einen Tag vor dem offiziellen Termin, weil er es nicht mehr erwarten konnte) überreicht, da stellte er die Frage, wieso sein Papa eigentlich nichts kriege, obwohl „der sich doch auch kümmert“.

Wir verwiesen ihn damit an seine Erzieherinnen, die daraufhin wahrheitsgemäß erklärten, Pauls Vater stelle wohl eher eine begrüßenswerte Ausnahme dar. So ist es wohl. Karin Nungeßer