■ In einer neuen Lottoshow sollen 30 Millionen nicht abgeholter Gewinne verjubelt werden. Am Montag entscheidet der Deutsche Lotto-Block über den Zuschlag. Fünf Produktionsfirmen samt ARD und RTL wollen nur eins:
: Gib mir die Kugel!

In einer neuen Lottoshow sollen 30 Millionen nicht abgeholter Gewinne verjubelt werden. Am Montag entscheidet der Deutsche Lotto-Block über den Zuschlag.

Fünf Produktionsfirmen samt ARD und RTL wollen nur eins:

Gib mir die Kugel!

Für Elmar P. aus R. war der Sonntag abend versaut. Erst mußte er sich in einer Badewanne mit grünem Kleister bekleckern lassen, später saß er klitschnaß im Studio herum, und am Schluß ging er völlig leer aus. Die hypernervöse Gegenkandidatin hatte mehr Glück und nahm den Jackpot von 77.777 Mark mit nach Hause.

So wie Elmar P. in der Glücksspiralen-Show auf Sat.1 könnte es bald noch mehr Kandidaten ergehen. Dann nämlich, wenn die niederländische TV-Fabrik Endemol, Spezialist für quotenträchtige Kandidatenquälerei, den Zuschlag für die neue Lottoshow bekommt. Darüber entscheiden am Montag die 16 Geschäftsführer des Deutschen Lotto-Blocks und die gebärden sich seit Wochen so geheimnisvoll, als gelte es, das Bernsteinzimmer zu verzocken.

Bereits vor einem halben Jahr hatte der Lotto-Block zehn bekannte TV-Produktionsfirmen um ein Showkonzept gebeten – nach einer ersten Vorauswahl waren nur noch fünf übriggeblieben. Die durften ihre Ideen dann in Hamburg nach Art einer Werbepräsentation per Diaprojektor und Einspielfilmchen vorstellen – wobei sich so mancher alte Showhase über die fulminante Ahnungslosigkeit der Lottofürsten wunderte: „Bei Unterhaltung denken die immer noch an Peter Frankenfeld.“

Die Fernsehshow, die frühestens Anfang nächsten Jahres startet und bei der voraussichtlich alle Tipper, vielleicht aber auch alle Zuschauer mitmachen dürfen, verdankt die TV-Nation der Schusseligkeit deutscher Lottospieler. Satte 30 Millionen Mark an nicht abgeholten Gewinnen haben sich auf den Konten des Lotto-Blocks angehäuft – überwiegend Geld aus dem Spiel77, das am Rande des Lottozettels anscheinend nur von wenigen für voll genommen wird. Nun soll der Riesenpot live verjubelt und gleichzeitig neue und vor allem jüngere Optimisten für das Glücksspiel rekrutiert werden.

Offen dabei ist nicht nur, welche Fernsehfirma die Geldgala produziert, sondern auch bei wem sie über den Sender geht. Die meisten Chancen im Millionenspiel rechnen sich ARD und RTL aus: Die ARD besitzt einen bis 1999 datierten Vertrag über die Ziehung der Lottozahlen und RTL besitzt in Helmut Thoma einen ziemlich einflußreichen Chef, der im richtigen Moment noch immer die richtigen Leute kannte. Außerdem wäre RTL für eine Imageverjüngung wohl die richtige Adresse, sind doch die meisten Lottospieler nicht nur jenseits der sechs, sondern auch der 49.

Aber auch im obersten Gremium des Lotto-Blocks sitzen größtenteils ältere Kandidaten, die gern für Geld eine ruhige Kugel schieben und für private Experimente bisher kaum zu haben waren. Schließlich hatte man sich stets bemüht, die große Zockerei im Staatsauftrag durch öffentlich- rechtliche Betulichkeit adeln zu lassen. In Helmut Thomas Spielbude RTL, so wird befürchtet, könnte das ehrwürdige Lotto zum Hütchenspiel verkommen.

Kein Wunder also, daß ARD- Unterhaltungschef Rüdiger Hoffmann schon vom Zuschlag für die ganz große Samstagabendshow träumt: „Wenn man die Ziehung der Lottozahlen und die Show auf zwei verschiedene Sender verteilt, verstehen die Zuschauer doch gar nichts mehr.“ Nicht nur Hoffmann und Thoma, auch die drei verbliebenen Produktionsfirmen fiebern dem 12.Mai entgegen. Neben der Endemol AG machen sich noch die Münchner Showschmieden Dressler („Wetten, daß...?“ und „Verstehen Sie Spaß?“) und Tandem Entertainment (an der der ehemalige Bild- und Tango-Chef Hans Hermann Tiedje beteiligt ist) Hoffnungen. Dabei hat die holländische TV-AG Endemol bereits gezeigt, wie man selbst die gute alte Glücksspirale („Mit fünf Mark sind sie dabei“) aufmotzen kann. Während sich die Kandidaten durch ein Stahlbad der Unterhaltung quälen, hält Kai Pflaume nicht nur seine Betontolle in die Kamera, sondern eben so häufig das große Los, mit dem man eine „Renten von monatlichen 10.000 Mark“ gewinnen kann. Auf Lebenszeit, versteht sich.

Showhändler Holm Dressler will es eher in Gemütlichkeit versuchen und die Kandidaten schonender behandeln. Endemols darwinistischem Konzept setzt er eine Art „Glücksparcour“ entgegen. „Bei uns braucht niemand eine Bombenkondition, um zu gewinnen“, sagt Dressler, der dem Sieger eine Million zahlen will, während die restlichen Kandidaten leer ausgehen oder sich mit Sachpreisen trösten müssen: „Von Motoryacht bis Weltreise ist alles dabei.“

Nach der Auswahl wird sich die Produktionsfirma mit den Sendern nicht nur über die Anzahl der Sendungen unterhalten müssen, sondern auch über die Moderation. „Eigentlich völlig egal, Hauptsache die Show ist gut“, sagt ein RTL-Mitarbeiter. So reden wohl nur echte Spieler.

Sollte die ARD den Zuschlag erhalten, wird die „Ziehung der Lottozahlen“ wohl in die Show integriert werden. Ob das aber auch für Lottofee Karin Tietze-Ludwig gilt, ist ungewiß. Vielleicht stellt sich Thomas Gottschalk hinter die Trommel, im Gespräch ist er jedenfalls, aber das ist er ja eigentlich immer. Manche tippen auch auf Jauch oder sogar Michael Schanze. Wie immer ohne Gewähr. Oliver Gehrs