Kein Halten mehr am Millerntor

■ St. Pauli 0:3 gegen Gladbach: Punkte weg und bald auch Trainer KaPe Nemet

Nach einer Viertelstunde wurde es Klaus-Peter Nemet zu frisch. Der Trainer des FC St. Pauli zog sich seinen Sportanorak über. Da fröstelte es den 43jährigen weniger. Doch richtig warm wurde Nemet am Samstag nachmittag nicht mehr. Dazu war die Leistung seiner Mannschaft nicht angetan und auch nicht das Verhalten seines obersten Dienstherrn. Präsident Heinz Weisener zeigte seinem Untergebenen die kalte Schulter. Nemet muß sich weiterhin warm anziehen.

Es ist ja kein Geheimnis, daß der nun endgültig abgestiegene FC St. Pauli noch immer auf der Suche nach einem Chefcoach für die nächste Serie ist. Nemet wird es wohl nicht sein, auch wenn Papa Heinz das nicht bestätigen mag. „Es ist im Moment keiner da, von dem ich sagen würde, seine Chancen wären größer“, erklärte Weisener nach dem Abpfiff.

Die Aussage ist typisch für den 69jährigen Vereinsboß, dessen Statements meist so dehnbar sind wie ein Bungeeseil. Die Betonung liegt auf „im Moment“. Wenn Weisener so etwas sagt, meint er es auch so. Im nächsten Augenblick kann alles schon wieder ganz anders sein. Die Freiheit nimmt er sich.

Vor der Entlassung von Trainer Uli Maslo lief es ähnlich ab wie jetzt bei der Nicht-Inthronisierung von Nemet, den sie alle nur KaPe rufen. „Im Moment haben wir kein Trainerproblem“, sagte Weisener. Wenig später war Maslo arbeitslos.

Warum Weisener sich soviel Zeit läßt? „Wir haben Großes vor, da ist der beste Trainer gerade gut genug.“Das versteht jeder, der an den sofortigen Wiederaufstieg glaubt. Eigentlich suche man, so Weisener, „einen Übermenschen“. Der stehe aber nicht zur Verfügung. „Also müssen wir gewichten, wer dem am nächsten kommt.“

Weisener kann es nicht selber machen, er hat zu viel anderes um die Ohren. Bleibt Karsten Heine vom Regionalligisten Union Berlin. Der 42jährige war gegen Gladbach schon im Stadion und habe in den Gesprächen „einen guten Eindruck gemacht“, lobte der Vereinschef. Noch sei keine Entscheidung gefallen, meinte Weisener: „Wir entscheiden bis Ende der Woche.“Heine kann schon packen.

Die Galgenfrist für Nemet wurde also verlängert. Dabei sollte schon nach dem Gladbach-Spiel alles geregelt sein. Hatte Weisener vorher verkündet. KaPe macht es, wenn sich die Mannschaft gut präsentiert. Hat sie nicht wirklich. Aber hing es je ernsthaft daran? Abgesagt hat Weisener Nemet jedenfalls nicht. Er vertagte wieder einmal.

Nemet überrascht das nicht. Ob er seinen Nur-auf-Probe-Status wohl losgeworden wäre, wenn St. Pauli gewonnen hätte? „Ich glaube nicht.“Er müsse „Altlasten“aufarbeiten, „fast wie ein Konkursverwalter“. Wohl auch in eigener Sache nach drei Niederlagen am Stück. „Ich plane zweigleisig“, sagt Nemet. Für ihn ist das Millerntor zur Sackgasse geworden. Clemens Gerlach