Die Party fiel aus

Baskets Bonn gewinnt 78:77 bei Alba Berlin und verlängert das Finale um die Basketball-Meisterschaft  ■ Aus Berlin Matti Lieske

77:78 stand auf der Anzeigentafel, als am Sonntag nachmittag die Schlußsirene des dritten Finalspiels um die deutsche Basketball- Meisterschaft ertönte, und knapp 9.000 Zuschauer in der Berliner Max-Schmeling-Halle konnten es nicht fassen. Mit einem Wurf fast von der Mittellinie hatte Eric Taylor 2,2 Sekunden vor Schluß für Baskets Bonn getroffen und damit in der Serie gegen Alba Berlin auf 1:2 verkürzt. Zuvor hatte Sasa Obradovic von zwei Freiwürfen nur einen verwandeln können und dem Gegner damit die Gelegenheit zum Überraschungscoup eröffnet, nachdem fast schon alles klar schien in dem ziemlich verkrampften Match. Als Henrik Rödl in der letzten Minute einen abgeprallten Ball virtuos zur vermeintlich entscheidenden Führung in den Korb faustete, begannen die Fans zu feiern. Taylors Wurf verdarb die Partystimmung dann gründlich.

Am Spielfeldrand stand wie erstarrt Svetislav Pesic, der das Unheil geahnt hatte. Im Gegensatz zum Alba-Management, das sich längst entspannt zurücklehnen kann, nachdem das Wagnis mit dem Umzug in die geräumige Max- Schmeling-Halle schon in der ersten Spielzeit Früchte getragen hat, von denen zuvor niemand zu träumen wagte, steht die Einlösung seines Saisonzieles noch aus. Achtelfinale der Europaliga – schön und gut. Pokal – okay. Was zählt, ist jedoch der Titel. „Meister sind wir seit letzten Juli“, hatte der Coach immer wieder die Vorschußlorbeeren der Medien zitiert, und nicht vergessen hinzuzufügen: „Wir haben natürlich die Qualität, Meister zu werden.“

Pesic ist jedoch profunder Basketballkenner genug, um zu wissen, wie leicht auch das überlegenste Team ins Stolpern geraten kann. Und das Loch, in welches Alba am Ende der Bundesliga- Punktrunde und dem Ausscheiden aus der Europaliga gegen Barcelona fiel, zeigte, wie berechtigt die Ängste waren. Auf einmal war Verunsicherung zu spüren, zudem kannten die Gegner Albas Spielweise inzwischen aus dem Effeff und trafen entsprechende Gegenmaßnahmen, allen voran die Bonner, die als einziges deutsches Team während der Punktrunde in Berlin gewinnen konnten und sich erst mit diesem Sieg am letzten Spieltag überhaupt für die Play- offs qualifiziert hatten. Pesic verfiel jedoch nicht in Panik, verzichtete darauf, hastig neue Varianten einzustudieren und setzte statt dessen auf besagte „Qualität“. „Wir haben unsere Offense sechs Monate gespielt und kennen sie auswendig“, erläuterte er, „die Gegner haben nur ein paar Wochen, sich darauf einzustellen.“ Wenn jeder auf seinem Level spiele, werde es keine Probleme geben. Dies war gegen die glänzend verteidigenden Bonner gestern nicht der Fall, weder Henning Harnisch noch Obradovic oder der sonst so treffsichere Wendell Alexis kamen wie gewohnt zum Zug.

Kaum jemand in Berlin zweifelt daran, daß Alba trotz der bösen Sonntagsüberraschung die Finalserie gewinnen wird und dann als Meister auf eine überaus erfolgreiche Saison zurückblicken kann. Sämtliche sportlichen Saisonziele erreicht, für die immer lukrativere Europaliga ohnehin erneut gemeldet, eine Steigerung der Zuschauerzahl um mehr als 100 Prozent, die Sponsoren stehen Schlange und an Popularität kann es das Team sogar mit den aufstiegsgefährdeten Fußballern von Hertha BSC aufnehmen. Die Kehrseite der Medaille: Mit weniger werden die Berliner in der nächsten Saison kaum zufrieden sein. Einen leichten Vorgeschmack der Anspruchshaltung des hauptstädtischen Publikums gab es nach den vier aufeinanderfolgenden Alba-Niederlagen in Bundes- und Europaliga. Zum Play-off-Auftakt gegen Braunschweig war die Halle plötzlich nur noch halb voll, nachdem zuvor auch bei Spielen gegen schwächere Teams stets mindestens 6.000 Leute gekommen waren.

Mit einem derartigen Zuschauerschwund ist für die mögliche entscheidende fünfte Partie gegen Bonn am Pfingstmontag nicht zu rechnen, wiewohl es den meisten Alba-Fans lieber wäre, wenn ihr Team die Meisterschaft schon am kommenden Samstag in Bonn perfekt machen würde und sie in dieser Saison nicht noch einmal in die Max-Schmeling-Halle kommen müßten.