„Ich verstehe, daß Vergebung nicht einfach ist“

■ Expolizist Brian Mitchell kehrt an den Ort eines von ihm angeordneten Massakers zurück und bittet die Hinterbliebenen von elf versehentlich Ermordeten um Vergebung

Brian Mitchell ist in Trust Feeds kein gern gesehener Gast. Mehrmals hatte die kleine Gemeinde in der Provinz Kwa Zulu/Natal einen Besuch des 39jährigen erfolgreich verhindert. Dem ehemaligen Schergen des Apartheid-Regimes auch noch vergeben zu müssen, das war vor allem für die Hinterbliebenen der elf Toten von damals zuviel. „Ich verstehe, daß Vergebung keine einfache Sache ist“, traut sich Mitchell trotzdem zu sagen. Und: „Ich bitte die Gemeinde darüber nachzudenken, ob mir nicht doch vergeben werden kann.“ Seine Stimme zittert, während er dies ausspricht, einsam mehreren hundert Menschen gegenüber sitzend.

Was der ehemalige Polizist Brian Mitchell Ende April tat, sucht in Südafrika seinesgleichen. Er, ein rechtskräftig verurteilter und später von der Wahrheitskommission amnestierter Mörder, bestand darauf, an den Ort des Geschehens zurückzukehren. Der Tag war symbolträchtig gewählt: Es war der 27.April, der nationale Feiertag, an dem Versöhnung oberstes Gebot ist. Drei Jahre zuvor hatte Südafrika zum erstenmal demokratisch gewählt. Mitchells Kollegen von früher ziehen es überwiegend vor, sich auf ihre Weise zu versöhnen: Man schweigt und vertraut darauf, den Fängen der Justiz zu entgehen.

Brian Mitchell ist kein Held. Er war wegen eines Massakers im Jahr 1988 erst zum Tode, dann zu lebenslanger Haft verurteilt und saß bereits im Gefängnis, als die Kommission zu arbeiten begann. Vor sie zu treten und auszupacken, war seine einzige Chance, noch einmal in Freiheit zu leben. Während der Anhörungen seines Falls im Oktober 1996 kam es zu Tumulten. Gegen den Widerstand der Gemeinde Trust Feeds wurde Mitchell im Dezember amnestiert und noch am gleichen Tag aus dem Gefängnis entlassen.

Der Fall sorgte für Aufregung, denn Mitchell war der erste prominente Apartheid-Killer, dem diese Gnade zuteil wurde. Der zuständige Amnestie-Ausschuß hatte befunden, daß Mitchells Verwicklung in das Massaker an elf Oppositionellen Teil einer gezielten politischen Kampagne war. Seit Mitte der achtziger Jahre hatte in den grünen Hügeln von Natal Krieg geherrscht: zwischen Anhängern von IFP und ANC; über 15.000 Menschen fielen ihm zum Opfer. Mitchell war zu dieser Zeit Befehlshaber der Polizei in New Hanover.

Die elf von seinen Leuten ermordeten Männer, Frauen und Kinder waren Mitglieder der dem ANC nahestehenden „Vereinigten Demokratischen Front“ (UDF). Zumindest glaubte das die Polizei. Erst nach dem Mord stellte sich heraus, daß man das falsche Haus angegriffen und statt dessen IFP-Anhänger erschossen hatte.

„Ich habe an diesem entsetzlichen Tag meinen Mann verloren“, schreit Mavis Madondo Mitchell an. „Jetzt sitze ich hier mit all diesen Kindern. Sie können keine ordentliche Ausbildung machen. Wie können Sie mir helfen?“ Mitchell entgegnet leise, er könne nicht einmal seine eigene Familie unterstützen, weil er seinen Job verloren habe. Schon in seinem Amnestie-Antrag war Vergebung ein zentrales Motiv und der Wunsch, beim Aufbau des Orts zu helfen. Vielen Bewohnern von Trust Feeds erschien das obszön. Manche aber besitzen die Größe zur Vergebung. Jabulise Ngubane, deren Mutter an jenem Tag getötet worden war, sagt, ebenfalls mit zitternder Stimme: „Es ist nicht leicht für mich, aber ich muß ihm vergeben. Immerhin bekannte er sich und bat um Vergebung.“