Boulevard der nassen Füße

■ Zwischen Regen und Rauchalarm: Notizen vom „FilmFest Emden 1997“zwischen

Über schlechtes Wetter mögen sich zwar die Kinobesitzer freuen. Aber für die Atmosphäre bei einem Filmfest ist es nicht sehr förderlich, wenn man auf dem Weg zwischen den Spielstätten ständig naß wird. In besseren Jahren konnte man die internationalen Gäste und das Publikum tatsächlich durch ein sonniges Emden flanieren sehen, und die Stuhlreihen vor dem Café mit „Info-Counter“waren die ostfriesische Antwort auf die Croisette von Cannes. Aber beim diesjährigen Festival (bis 14. Mai) ist alles doch reichlich grau, ohne daß man den Organisatoren daraus einen Vorwurf machen kann. Denen ist es immerhin gelungen, in den letzten acht Jahren einige feste Rituale bei ihrer Festivität einzuführen: So ist nun schon zum sechsten Mal Bernhard Wicki Ehrengast und fast schon Maskottchen des Filmfests; so wird jeder Gast mit einem Stoff-Ottifanten beschenkt, denn schließlich ist dies „Ottotown“; und so muß in der Rede eines Lokalpolitikers beim offiziellen Empfang jedesmal mindestens einmal der andere Local-Hero Henry Nannen erwähnt werden.

Eine andere Besonderheit des Filmfestes hat sich dagegen zum vieldiskutierten Ärgernis entwickelt. Das einzige wirkliche Kino, in dem hier Filme gezeigt werden (neben dem ordentlichen, hellen und leicht sterilen Theaterbau und dem schmucklosen Saal der Volkshochschule) ist nämlich ein „Raucherkino“. Und während die dopppelte Belästigung durch schlechte Luft und die laute Belüftung in den letzten Jahren noch stillschweigend hingenommen wurde, erhitzen sich die Gemüter darüber jetzt fast mehr als über die dort gezeigten Filme. Die Tage des „Apollo“als Festspielort sind wohl gezählt, und dies ist angesichts der recht ruppigen Manieren des Personals und der nicht immer scharfen Projektion kein Verlust.

Noch eine Emdener Besonderheit ist es, daß der Publikumspreis schon am Sonntag abend vergeben wurde, obwohl das Filmfest noch bis Mittwoch abend weitergeht. Im Grunde hätte man ihn sogar schon am ersten Abend überreichen können, denn der Eröffnungsfilm „Brassed Off“wurde so stürmisch bejubelt und auf den Bewertungskarten so positiv bewertet wie „noch nie ein Film zuvor“(so Organisator Thorsten Hecht), daß die britische, irische, isländische, östereichische und deutsche Konkurrenz dagegen offensichtlich keine Chance hatte. Die sympathische Komödie über die Blaskapelle einer englischen Bergarbeitersiedlung, der die Schließung ihrer Mine droht, ist auch wie maßgeschneidert für solch ein kleines, eher bodenständig wirkendes Publikumsfestival wie Emden.

Neben den für Filmfeste gängigen Pflichtreihen „Internationale Previews und Entdeckungen“, „Kinderfilmfest“, „Kurz- und Animationsfilme“und „Neue Deutsche Filme“ist in Emden das britische Kino besonders vorherrschend. Und hier kann man auch die schönsten Entdeckungen machen.

So bei der längst fälligen Werkschau mit den Filmen von Neil Jordan („Mona Lisa“, „Crying Game“), bei dem Programm mit britischen Stummfilmen aus den Jahren 1895 - 1912 oder bei den kleinen unabhängigen Produktionen, die in den letzten Wochen in englischen Kinos angelaufen sind und nicht spektakulär genug waren, um nach Berlin oder Cannes eingeladen zu werden. Der düster dreckige Gangsterfilm „Hard Men“war solch ein Fund oder die Ballade über irische Kesselflicker „Trojan Eddie“. Zu diesen Filmen paßte dann auch wieder das Wetter.

Wilfried Hippen