Wider den Charme eines Pappkartons

■ Castrop-Rauxel meldet „attraktive Freizeitheime“/ Jugenddezernent Dolf Mehring zur neuen Betriebsform

„Unser Freizi soll bleiben“: Solche Plakate sind in der Ruhrpottstadt Castrop-Rauxel längst abgehängt. Die drei städtischen Freizeitheime wurden vor sechs Jahren in Betriebe umgewandelt (s. Kasten). Eine Reform, für die sich die Grünen auch in Bremen stark gemacht haben. Ob das Konzept in Bremen gewollt wird, entscheidet heute die Bürgerschaft. Wir sprachen mit Dolf Mehring, dem zuständigen Jugenddezernent aus Castrop-Rauxel, über das Modell.

taz: Ist Castrop-Rauxel jetzt eine Freizi-Oase?

Dolf Mehring, Leiter der Jugendförderung in Castrop-Rauxel: Nein, das ist ja hier nicht das Paradies. Castrop-Rauxel ist auch eine finanziell gebeutelte Stadt, wir müssen immer noch kürzen. Aber darüber können wir nun selbst entscheiden. Wir können ganz viel selber machen, und die Freizis präsentieren sich ganz anders. Das ist auch ein Motivationsschub für die MitarbeiterInnen gewesen.

Was war denn der Grund für den plötzlichen Motivationsschub?

Wir haben gesehen, daß immer mehr gespart wurde, und da haben die MitarbeiterInnen gesagt: Wir müssen langfristig selber etwas Positives entwickeln. In der Verwaltung wurde ohnehin über neue Modelle diskutiert.

Gab es auch Vorbehalte beim Personal? Angst vor Privatisierung und Kommerzialisierung?

Die Umwandlung von Freizis in optimierte Regiebetriebe hat überhaupt nichts mit einer Privatisierung zu tun. Das bedeutet eigentlich nur, daß mit dem Budget anders verfahren wird. Natürlich wurde am Anfang befürchtet, daß alles nur noch nach der Mark bemessen wird. Daß zum Beispiel Freizis, die nicht soviel erwirtschaften, dichtgemacht werden und damit jugendliche Randgruppen rausgedrängt werden.

Trat das nicht ein? Sie machen doch jetzt hartes Controlling.

Wir haben Ziele vereinbart und dafür muß es auch eine Richtschnur geben. Wir zählen beispielsweise die Besucher in den einzelnen Häusern, wollen genau wissen, wieviele Mädchen kommen oder wieviele ausländische Jugendliche. Darüber wird vierteljährlich Buch geführt. Wenn ein Haus schlechte Zahlen vorlegt, muß es aber nicht dichtmachen. Wir wollen die Arbeit besser machen.

Was wollen Sie verbessern?

Wir haben jetzt zum Beispiel Nicht-Freizibesucher nach ihren Wünschen befragt. Die Jugendlichen vermissen bestimmte Tanz- und Sportveranstaltungen im Teenie-Bereich. Da wollen wir nun stärkere Akzente setzen.

Was könnten Sie Reformgegnern mit auf den Weg geben?

Ich habe solchen Leuten immer gesagt: Wenn Ihr Euch nicht bewegt, dann werdet Ihr bewegt. Weil Sie euch die Dinger dann unterm Arsch wegziehen. Wir haben nur diese eine Chance. Das ist wohl auch so verstanden worden.

Fragen: Katja Ubben