Berlin soll für den Euro blechen

■ Bayern und Hessen fordern Strafgelder für die Bundesländer, die den Maastricht-Vertrag brechen. Berlin überschreitet Defizitkriterium um 5 Prozent. Länder in konkreten Verhandlungen über Strafgelder

Bald wird der Euro munter rollen – und Berlin neue, gigantische Finanzprobleme bescheren. Denn auf das bankrotte Land kommen wegen Nichteinhaltung der Maastricht-Kriterien Strafgelder in dreistelliger Millionenhöhe zu. Den Länderfinanzministern Hessens und Bayerns ist der Geduldsfaden gerissen. Sie fordern saftige Strafgelder für Länder wie Berlin oder das Saarland, die die Maastricht-Kriterien verhunzen. „Zahlen muß der, der gesündigt hat“, sagte Bayerns Erwin Huber, „die anderen Länder werden keine müde Mark zuschießen.“

Berlin wird kräftig dazu beitragen, wenn Deutschland die sogenannten Stabilitätskriterien von Maastricht zur Einführung der Europawährung verfehlt. Statt des erlaubten dreiprozentigen Defizitanteils am Bruttoinlandsprodukt macht das Defizit der Stadt (knapp 12 Milliarden Mark) fast acht Prozent am berlinischen Bruttoinlandsprodukt (150 Milliarden Mark) aus. Ein Viertel der Nettoneuverschuldung aller Bundesländer im Jahr 1996 stammt aus der Hauptstadt: 11 von 44 Milliarden Mark. Hubers Sprecher Erwin Horak sagte der taz, daß die Strafgelder „streng nach dem Verursacherprinzip“ verteilt werden sollen. Wer Mist baut, muß blechen.

Finanzexperten gehen davon aus, daß die Stadt vor der politischen Bedeutungslosigkeit steht, wenn die Bundesländer Strafgelder für die Nichteinhaltung vereinbaren. Dann ist es hier „zappenduster“, sagte Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Das wäre der Verlust der politischen Handlungsfähigkeit für die Stadt“, kommentierte der Sprecher der Finanzverwaltung, Frank Zimmermann.

Nach Informationen der taz gehen die von Finanzminister Erwin Huber (CSU) und von Hessens Karl Starzacher (SPD) geäußerten Strafgeldvorschläge weit über starke Worte hinaus. Eine eigene Arbeitsgruppe „innerstaatlicher Stabilitätspakt“ berät bereits konkrete Modelle, wie die Strafgelder für die Maastricht-Schlamper berechnet werden. Danach könnte anhand der Einwohnerzahlen, der Steuerkraft oder des Landesdefizits die Sonderabgabe taxiert werden. Berlin wäre wegen seiner miserablen Haushaltswerte jeweils kräftig mit von der Partie.

Auf die Bundesrepublik als Ganzes kämen nach Berechnungen des hessischen Finanzministeriums zum Beispiel 7 Milliarden Mark zu, wenn die Dreiprozenthürde (Anteil des Defizits am Bruttoinlandsprodukt) um 0,2 Prozentpunkte verfehlt wird. Diese Regelung legten die EU-Finanzminister in der Maastricht-Folgekonferenz von Dublin fest. Nach dem derzeitigen Stand käme davon auf die Länder in etwa die Hälfte zu. Weil sich finanzstarke Länder wie Hessen, Nordrhein- Westfalen und Bayern weigern, Strafgelder zu bezahlen, müßten sich Armenhäuser wie Berlin, Saarland und Bremen die Milliardensummen teilen. Die Stimmung ist gereizt. „Drohungen sind einer Einigung nicht gerade förderlich“, beantwortete Finanzsprecher Zimmermann die Forderungen von Bayern und Hessen.

Bayerns Kassenwart Huber freilich ist genervt von der Arbeitsgruppe. „Da geht nichts voran“, sagte sein Sprecher Horak der taz. Daher habe Bayern vorgeschlagen, das Strafgeldverfahren zu beschleunigen. Die Berliner Kassenhüterin Annette Fugmann-Heesing (SPD) warnte davor, „Arm und Reich gegeneinander auszuspielen“. Christian Füller