Als Preis eine Baskenmütze

Im baskischen Nationalsport Pelota wurde der neue Champion, der „Manomanista“, gekürt und bemützt. Der wahre Meister sah jedoch nur zu  ■ Aus Pamplona Joachim Quandt

Gemeinhin gilt die Entwicklung von Werkzeugen, die dem Menschen die Arbeit erleichtern, als erstrebenswert. Dementsprechend wird sie allerorten als Fortschritt gefeiert. Wer käme auf dem Tennisplatz schon auf die Idee, den Ball mit der bloßen Hand zurückzuschlagen? Wohl höchstens ein Baske, der sogar eher lästige Tätigkeiten wie Holzhacken oder Steinestemmen als Leistungssport betreibt. Auf die Pflege uralter Traditionen bedacht, hat dieses Volk zwar eine gute Handvoll meist abenteuerlich anmutender Instrumente erfunden, mit denen beim Pelota-Spiel der kleine Ball gegen die rund 10 mal 10 Meter große Wand geschmettert wird, aber der wahre König der Pelota ist der Manomanista: der Meister der Hand- Pelota, der am Sonntag in San Sebastián in einem spektakulären Finale zwischen Fernando Arretxe und Aitor Elkoro gekürt wurde.

Dieses Sportereignis weckt im Baskenland Emotionen wie kaum ein anderes. Die teilweise minutenlangen Ballwechsel, bei denen die Spieler den steinharten Ball aus bis zu 35 Metern mit nichts als den bloßen Händen gegen den „Frontis“ schlagen, lassen die Männer in der Kneipe um mich herum in Ovationen ausbrechen. Besonders die Überkopfschläge Arretxes. Mit seinem variablen Spiel kann der Spieler aus Navarra seinen Gegner Elkoro, der die Bälle wie ein Besessener nach vorn drischt, am Ende 22:18 besiegen. Mein Thekennachbar nickt mir zufrieden zu, denn der Titel des Manomanista bleibt in Navarra und wechselt nicht zu den als „Pilzdiebe“ beschimpften Nachbarn aus der Provinz Gipuzkoa. Pelota bestätigt Klischees: Alte Männer mit Baskenmützen, der Kellner stellt die Anisschnapsflasche gar nicht erst zurück ins Regal. Die Spieler athletische Kraftprotze, die ihre Hände bis zum äußersten schinden. Dreihundertfünfzig Schläge lang war das Finale.

Julián Retegi grinst mich breit an: „Du kannst es ja selbst einmal ausprobieren: Wenn du ins Fitneßcenter zum Squash-Spielen gehst, nimmst du einfach keine Schläger mit.“ „Hände machen“ nennt er dieses eher schmerzhafte Unterfangen, seine körpereigenen Sportgeräte in Form zu halten. „Wenn die Hornhaut zu dick wird und sich ablöst, mußt du tapen und verlierst viel Gefühl beim Schlagen.“ Er muß es wissen, denn der 42jährige gilt unter seinen Landsleuten als der beste Pelota-Spieler aller Zeiten.

Nach dem Spiel. Arretxe gibt Interviews. Die spanischen Journalisten verschwinden nach den ersten Äußerungen. Der Mann aus Luzaide hat in seine Muttersprache Euskera gewechselt. Das Finale des Manomanista trägt zwar offiziell den Titel „Spanische Meisterschaft“, aber sämtliche der gut 40 Pelota-Profis sind im Baskenland oder den angrenzenden Regionen zu Hause und haben dementsprechend Zungenbrecher wie Arriznaberetta oder Urionaguena als Nachnamen. Der Titelträger ist der „Txapeldun“, der mit der Baskenmütze, die ihm als Siegestrophäe aufgesetzt wird. Baskische Emigranten haben das Spiel zwar auch in Lateinamerika und Florida bekannt gemacht. Die Basken beanspruchen für sich aber den Status des Mutterlandes, und mit der Hand wird Pelota überhaupt nur in Euskadi gespielt.

„Sieh dir doch die Dörfer an. Die liegen alle an steilen Berghängen, da ist nirgends Platz für einen Fußballplatz“, lacht Martin Ezkurra, als ich ihn danach frage, warum der Sport in der Region so tief verwurzelt ist. „Bei mir im Dorf war die Kirchenmauer die Wand vom Fronton. Nach der Messe forderte der Priester uns Jungen zu einem Spiel heraus.“ Ezkurra ist der botillero, der Trainer, der Julián Retegi 1980 zu seiner ersten „Txapela“ führte. Bis 1989 blieb der Spieler 3.665 Tage lang ungeschlagen.

Auf der Suche nach Gründen für Retegis Dominanz im Königssport der Basken treffe ich überall auf schwärmerisches Strahlen. „Der Mann ist einfach eine Klasse für sich.“ Ehe er sich ganz in der Welt der Erinnerungen verliert, schiebt Xabi, der Kollege von der baskischen Tageszeitung Egin, dann doch noch einige konkrete Aussagen nach: Retegi schlägt mit beiden Händen gleich stark und plaziert, bewegt sich trotz dreier Knieoperationen mit einer unglaublichen Schnelligkeit und besitzt eine außergewöhnliche Fähigkeit, das Spiel zu lesen und auf den Gegner zu reagieren.

Beim Finale am Sonntag nahm Retegi als Co-Kommentator der Fernsehübertragung auf der Tribüne Platz. Er sei alt, seine Beine seien kaputt, begründete er seinen Rücktritt aus der Einzelkonkurrenz. Ezkurra lacht, denn im Training schlägt der Altmeister den Txapeldun Arretxe ohne Schwierigkeiten. „Die bezahlen ihm nicht das Geld, das er haben will.“

„Die“, das ist der nationale Pelota-Verband. Im Unterschied zu den meisten Turnieren wird die Meisterschaft im Herreneinzel nicht von dem privaten Unternehmen Asegarce ausgerichtet, bei dem sämtliche Pelota-Profis unter Vertrag stehen. Beim Doppelturnier von Asegarce verließ Retegi im Februar den Platz mit Partner Pskar Lasa als Sieger. Allerdings nicht, ohne seinen Verteidiger, der die Bälle, die aus dem hinteren Teil des Spielfeldes kommen, zurückdreschen muß, vor laufenden Kameras runterzumachen. Seine Mitspieler hält der Mann aus Navarra fast alle für unfähig, was er sie auch spüren läßt. Allerdings werden Retegi von Asegarce im Interesse hoher Wetteinnahmen, mit denen die Firma den Großteil ihrer Einnahmen bestreitet, in der Regel mittelmäßige Spieler zugeteilt, um möglichst ausgeglichene Spiele zu gewährleisten. Im Publikum verwetten alte Männer mit Zigarre und Whiskyglas in der Hand Millionen – zwar Peseten, aber es sind respektable Summen, die hier den Besitzer wechseln.

„Ba ahal du joko hoberik, zaharrengandik gazteak ikasi“ – damit dieses Spiel möglich ist, lernen die Jungen von den Alten, schrieb der Pelotari Oreja Il in einem Gedicht. Martin Ezkurra schüttelt den Kopf: Ganz so wie früher stehen die Dinge heute nicht mehr. Die Bälle aus einem Gummikern, der mit Wolle umwickelt und in Leder eingenäht wird, springen heute höher und machen das Spiel dadurch langsamer und leichter. Die Ursache, da ist er ganz sicher, liegt in der Wolle. Die kommt nicht mehr von baskischen Schafen, sondern wird aus Argentinien und Neuseeland importiert.