Frauen ohne Rechte

Ausländische Frauen werden als Ehefrauen oder Prostituierte nach Deutschland geholt. Was sie verbindet: Ihre Rechtlosigkeit und Abhängigkeit  ■ Von Barbara Geschwinde

Ende April trafen sich in Den Haag Politiker und regierungsunabhängige Organisationen, um einen Empfehlungskatalog für gemeinsame und effektivere Maßnahmen gegen den Frauenhandel zu erarbeiten (siehe taz vom 26./27. April).

Seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich der Handel, vor allem mit Frauen aus Mittel- und Osteuropa, dramatisch ausgeweitet. Doch in den meisten Ländern konzentriert sich die Verfolgung auf die illegal eingereisten Frauen, nicht auf die Schlepper. Gerade die weitverbreitete Praxis, aufgegriffene Frauen sofort abzuschieben, erleichtert den Schlepperorganisationen das Geschäft.

Die Empfehlungen von Den Haag wurden von regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) ausgearbeitet. Im Kern fordern sie härtere Strafen für die Schlepper und mehr Rechtssicherheit und juristischen Beistand für die betroffenen Frauen.

Zehn Jahre Freiheitsstrafe drohen im Höchstfall Menschenhändlern, die Frauen nach Deutschland schleusen und sie zur Prostitution zwingen – wenn sie überführt werden. In der Praxis allerdings gehen die meisten Angeklagten nach dem Prozeß nach Hause: Entweder wird das Verfahren eingestellt oder ihre Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Zu dieser Einschätzung jedenfalls kommen Rechtsanwältinnen und Beratungsstellen, die Opfer von Menschenhändlern betreuen, wie zum Beispiel der Verein „Solwodi“ („Solidarity with women in distress“) bei Koblenz.

„Solidarität mit Frauen in Not“ arbeitet vorrangig mit Frauen, die aus der Dritten Welt und Osteuropa stammen. Im Auftrag des Bonner Familienministeriums hat ihre Gründerin, Lea Ackermann, 33 bundesweite Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels untersucht. Das Ergebnis: In jedem zweiten Fall kam es erst gar nicht zur Anklage, lediglich in fünf Fällen wurde ein Urteil gesprochen, und nur einer der Angeklagten mußte eine Freiheitsstrafe antreten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Die Zeuginnen haben vor Gericht einen schweren Stand. Denn die meisten ausländischen Frauen, die hier zur Prostitution gezwungen werden, sind illegal in Deutschland. Das deutsche Ausländerrecht, so die gängige Kritik, arbeite den Menschenhändlern regelrecht in die Hände. Fliegt nämlich ein Händlerring auf, werden die Opfer der Zuhälter zumeist in Abschiebehaft genommen. Vor der Abschiebung werden die Frauen von der Polizei oder einem Untersuchungsrichter vernommen, doch bei Prozeßbeginn sind viele Zeuginnen schon längst nicht mehr in Deutschland. Als Material für eine Verurteilung bleibt dann oft nur das, was die Angeklagten gestanden haben. Sollten die Zeuginnen dennoch selbst vor Gericht aussagen können, bleibt das Problem der „Beweisbarkeit“. Die Taktik basiert in der Regel darauf, die Frauen unglaubwürdig zu machen und die Vermutung nahezulegen, sie hätten sich freiwillig prostituiert. Unglaubwürdig wirken die Zeuginnen, wenn sie widersprüchliche Aussagen machen. Wirkt die Zeugin jedoch erst einmal unglaubwürdig, scheinen auch andere Teile ihrer Aussage zweifelhaft: Sie habe möglicherweise gewußt, was sie in Deutschland erwartet, und sich freiwillig prostituiert. Für die Gerichte ist diese Vermutung häufig der Anlaß, die Anklage zu ändern. Aus schwerem Menschenhandel – Höchststrafe zehn Jahre – wird so Förderung der Prostitution – Höchststrafe drei Jahre.

Doch worauf die Frau sich wissentlich eingelassen hat, ist vor Gericht eine Ermessensfrage. Die Rechtsprechung folge dem Grundsatz, so kritisieren Anwältinnen, „im Zweifel gegen die Zeugin“.