Und führe uns nicht in Versuchung ...

Die Bestimmung des zairischen Erzbischofs Monsengwo zum Parlamentspräsidenten und damit zu Mobutus potentiellem Nachfolger verunsichert die katholischen Gläubigen  ■ Aus Kinshasa Andrea König

Saint-Alphonse, die katholische Kirche in Matete, einem Außenviertel der zairischen Hauptstadt Kinshasa, ist auch abends noch voll besetzt. Die letzten, die ankommen, setzen sich auf den Boden. Nicht nur Frauen und Kinder gehen an diesem Sonntag abend zur Messe – auch viele junge Männer sitzen in den Bänken und beten.

Der Priester begrüßt seine Gemeinde: „Habt ihr Frieden?“ – „Ja!“ – „Habt ihr Freundschaft?“ – „Ja!“ Der Chor gibt den Ton an, die mehrere hundert Gläubige umfassende Kirchengemeinde bringt den kargen Backsteinbau mit ihrem Gesang zum Vibrieren. Es ist der Sonntag nach Himmelfahrt. In mehreren Kirchen Kinshasas ist das Thema der Predigten ähnlich: Jesus hat die Menschen an Himmelfahrt mit der Aufforderung zurückgelassen, jetzt müßten sie ihre Arbeit tun.

Der Vikar von Saint-Alphonse steht vor seiner Gemeinde in einer imposanten Mütze aus Affenfell. Zur Predigt nimmt er sie ab: „Auch wenn es in diesem Land scheinbar keine Arbeit gibt, auch wenn ihr meint, ihr seid arbeitslos, so stimmt das nicht. Christus hat uns allen Arbeit hinterlassen. Es gibt selbst hier in Matete genug zu tun.“

Ein Kirchendiener sagt, in der Morgenmesse habe der Priester den Monseigneur Monsengwo erwähnt. Und der Priester einer anderen Kirchengemeinde in Lingwala sagt: „Das Thema unseres Monseigneurs interessiert alle, das ist keine Frage. Aber wir halten uns zurück, solange noch verhandelt wird.“ Das Thema, das im mehrheitlich katholischen Kinshasa überall zu reden gibt – in der Kirche, vor und nach der Messe, an jeder Straßenecke: Wird der Erzbischof von Kisangani, Laurent Monsengwo, seine Wahl zum Parlamentspräsidenten und damit zum potentiellen Nachfolger Mobutus annehmen?

Der Rektor der katholischen Universität in Kinshasa, Abbé Buetubela Balembo, will sich nicht festlegen, aber er gibt zu bedenken: „Vor zwei Jahren haben die Bischöfe ein Dokument ausgearbeitet und verabschiedet, das besagt, kein Prälat dürfe mehr eine politische Funktion übernehmen, auch wenn er darum gebeten werde. Im übrigen“, lächelt der Abbé in seinem schrill rotweiß gestreiften Hemd, „muß die Bischofskonferenz ihre Zustimmung geben. Und wie soll sie das, wenn von sechs Erzbischöfen bloß einer, der Kardinal, hier in Kinshasa ist?“

Der Tenor ist klar, wenn auch nicht ausgesprochen: Innerhalb der katholischen Kirche ist man nicht glücklich mit dieser Wahl und wäre vermutlich erleichtert, würde Monsengwo das Amt nicht antreten. Eine belgische Nonne in Saint- Alphonse sagt: „Die Leute fürchten, es könnte ihm etwas geschehen. Sie möchten nicht, daß er das Amt antritt.“

Monsengwo wird von den meisten Menschen in Kinshasa respektiert. Es gibt keinen, der ein schlechtes Wort über ihn verliert. Er sei intelligent, aufrecht und eine starke Persönlichkeit, die man nicht umgehen könne. Er hat alles, was ein Staatsmann braucht“, sagt Abbé Buetubela.

Aber kann der Kirchenmann Monsengwo ein Amt antreten, das ihn im Falle eines Rücktritts Mobutus nicht nur zum Staatspräsidenten, sondern gleich auch zum Armeechef macht? Rebellenführer Kabila, der drei Viertel Zaires kontrolliert, hat gesagt, er werde mit Monsengwo nicht verhandeln – er verhandele nur mit Mobutu. Könnte es der Erzbischof verantworten, einen Krieg zu führen oder das, was von Mobutus Zaire noch übrig ist, kampflos herzugeben? Kann die Kirche eine solche Verantwortung überhaupt tragen? „Im Prinzip kann das die Kirche nicht“, sagt der Abbé. „Die Kirche könnte eine Vermittlerrolle einnehmen. Monsengwo kann mit Kabila und Mobutu verhandeln. Wenn es aber dazu kommen muß, daß Monsengwo das Amt antritt, muß dies von sehr kurzer Dauer sein.“ Die Bedingungen, die Monsengwo an das Amt geknüpft habe, seien nur schwer zu erfüllen: „Internationale Unterstützung wird er bestimmt erhalten, aber einen Konsens hier im Land, wie er es fordert, wird es nicht geben.“

Im Gottesdienst von Saint-Alphonse beten die Gläubigen das Vaterunser. Die Gemeinde reicht sich die Hände und singt. Sie bittet um Vergebung. Eine junge Frau sagt spontan: „Ja, ich werde auch Mobutu verzeihen.“ Eine Mama im traditionellen Gewand verliest die Fürbitten: „Herr, wir bitten dich, daß die, die für Zaire verantwortlich sind, sich einigen können. Herr, wir bitten dich, daß du uns Frieden bringst.“ Die Kirchgänger gestikulieren eifrig, und einer sagt: „Ich hoffe bloß, Monsengwo nimmt nicht an. Mobutu ist ein schlauer Politiker, und dies ist nicht seine letzte Karte. Er hat ein Geschenk gemacht, aber es ist vergiftet.“