Nagend und nörgelnd fortschreiben

■ Hoffnungen und Wut: Rudolf Herz' Erinnerungsarbeiten „Transit 3“bei Barlach Halle K

Zwei historische Porträts hängen in gleichem Format nebeneinander an der Galeriewand: ist das eine ohne Schwierigkeiten als Hitler zu erkennen, zeigt das andere Marcel Duchamp. Mit der „Zugzwang“betitelten Kombination beider Köpfe verweist der Münchner Künstler Rudolf Herz auf die beiden Personen, die die Kunst der Moderne am nachhaltigsten beeinflußt haben.

Den mörderischen deutschen Diktator bildlich als wirkmächtigen Zeugen aufzurufen, bleibt, selbst wenn die inhaltliche Argumentation klar ist, ein Tabubruch, bei dem mitzuwirken sich so mancher Drucker weigert. Doch nichts bringt die Entwicklung der modernen Kunst so direkt auf den Punkt, wie die Paarung des wichtigsten Vordenkers und des schärfsten Gegners.

Nicht nur, daß beide Antipoden nahezu gleich alt waren, ihr Bild stammt auch vom gleichen Fotografen, dem Münchner Hoffotografen Heinrich Hoffmann, was der 43jährige Künstler und Kunstwissenschaftler eher zufällig bei seinen Forschungen zum Umgang mit Bildern entdeckte.

Ob Rudolf Herz in der Gedenkstätte Dachau die zerkratzten Fotos von KZ-Aufsehern und der politischen Führung dokumentiert oder eine riesige Ernteleiter neben einen kleinen neugepflanzten Obstbaum stellen läßt, den Münchner Künstler interessieren die Erwartungen, die an die Zeit gestellt werden: frohe Zukunftshoffnungen und wütende Geschichtsverarbeitung gleichermaßen.

So schlug er 1992 vor, das Dresdner Lenindenkmal aus 250 Tonnen rotem Granit nicht verschwinden zu lassen, sondern dekonstruiert in Teilen als Mahnmal zu erhalten. Eine Erinnerungsarbeit, die mit nachdrücklicher Schützenhilfe der BILD-Zeitung verhindert wurde.

In Schwerin ließ er im gleichen Jahr den metergroßen Sowjetstern der ehemaligen Garnison vor die antikische Freitreppe des Museums fahren. Das Eisenmaterial eines in Zeit und Raum nicht mehr verorteten Sinnzeichens liegt jetzt als dritte Station einer Ausstellungsreihe zum Bündel geschnürt in der Hamburger Galerie Halle K.

Hitler und der Sowjetstern, Stasiakten und die Moskauer Prawda deklamieren als künstlerischer Stoff keine unmittelbare politische Botschaft mehr. So wie politische Wissenschaft nicht Politik und Ikonologie nicht Ideologie ist, hält Rudolf Herz in einer Haltung des „Nagens und Nörgelns“(Herz) den Zugang offen. In einer Zeit gestürzter Symbole und ungewöhnlich schnellen Wandels mischt er zugängliche und kryptische Zeichen zu einer Kunst, die öffentliches Material in einer subjektiven Geste vorführt.

Rudolf Herz war der erste, der an der eher konservativen Münchner Akademie 1981 sein Examen mit einer Fotoarbeit machte. Doch trotz häufiger Verwendung dieses Mediums ist ihm vor allem das materielle Substrat wichtig. Dabei haben geschichtsbesetzte Originalteile die Funktion eines ästhetischen Köders, der die Betrachter anlockt. Anders als ein Maler ist der Künstler, der Dinge zu Tableaus arrangiert, nie fertig. Jede Ausstellung ist ein neues Arbeitslabor, in dem das Beobachten und Zerstören von Material Teil des Rückgriffs auf die von Duchamp initiierte Ready-Made-Kultur sind.

Unter der Plane von „Zwischenlager 1997“leuchtet das blau geflügelte Hammer-und-Sichel-Emblem der Aeroflot hervor, daneben die Spitze eines alten Faltkanus. Ist dieser stillgestellte Aufbruch nun weggekehrte Vergangenheit oder Material der Zukunft? Der Künstler entscheidet zugunsten des, wenn auch privatisierten, Potentials: „Es ist vor allem die Möglichkeit, die eigene Arbeit fortzuschreiben“.

Hajo Schiff

„Transit III“, Barlach Halle K, Klosterwall 13, Di – Sa,12 – 18 Uhr, bis 15. Juni, Katalogbuch 32 Mark.