■ Nachschlag
: Genreszenen: Katja Nottkes Musical "Qualm" in der Ufa-Fabrik

Wo sind wir, wo? Da sitzt ein älteres Ehepaar unter einer gestreiften Markise und tut, als frühstücke es im Garten. Der rauchende Herr mit dem graugewellten Haar spielt den Gesundheitsminister, die Dame nippt an der Kaffeetasse und markiert Schlagfertigkeit: „Du wirst verbrannt – du rauchst also sogar noch nach dem Tod!“ Da lächelt der Herr charmant, der Dialog hangelt sich weiter von Pointe zu Pointe, und nichts daran wäre erstaunlich, wenn das Ganze, sagen wir, im Hansa-Theater stattfinden würde. Wir sind aber in der Ufa-Fabrik. Traniges Boulevardtheater war dem alternativen Kulturzentrum bislang fremd. Das ist nun anders.

„Qualm“ ist ein Musical, dem drei wichtige Dinge fehlen: eine gute Story, gute Musik und Tempo. Die Grundidee (Walter Schwab): Ein kettenrauchender Gesundheitsminister steht zwischen der nichtrauchenden Frau und der lustlos rauchenden Geliebten. Die Buchautorin (Lida Winiewicz) wußte damit wenig anzufangen, bis zur Pause kommt die Handlung keinen Schritt voran. Statt dessen gibt es jede Menge gespielte Witze zum Thema Rauchen: Ein tyrannischer Medizinprofessor erläutert das Wesen der Raucherlunge und zwingt seine Studenten zu ekligen Kostproben. Der Chauffeur des Ministers probiert Therapien zur Entwöhnung – prompt werden Psychoanalyse, Beichte und Meditation des verzweifelten Rauchers vorgeführt.

Viele Einfälle sind amüsant, mehr aber auch nicht. Die Grenze zur Peinlichkeit wird überschritten, wenn zwei Penner Zigarettenkippen zusammenbasteln und dabei humorig über die Welt einherschwadronieren. Eine Genreszene, wie sie auf deutschen Bühnen seit circa 1955 nicht mehr zu sehen war. Danach ist eh alles egal, unerhört verschnarchtes Milljöh macht sich breit: Skatspieler, eine Prostituierte, ein Polizist, der einen Säufer anherrscht... Seltsamerweise führt Katja Nottke, die Gründerin des renommierten, leider nicht mehr existenten Kama-Theaters, Regie und spielt auch sämtliche Frauenrollen. Geliebte und Ehefrau verlassen übrigens den Minister, womit die Handlung am Ende ist. Ein paar Proben mehr hätten sämtliche Darsteller gut vertragen können. Zwischendurch wird gesungen (Musik: Bernd van Ham). Strophe, Refrain, Strophe, Refrain – alles harmlos und schnell vergessen. Originell sind nur die Kontrafakturen: Zum Begräbnis des Gesundheitsministers erklingt ein scheinbar spätromantisches Lied, und dem Marlboro-Mann ist, natürlich, ein Country-Song gewidmet. Das Premierenpublikum bestand übrigens fast ausschließlich aus Nichtrauchern. Aber irgendwann wundert man sich ja über nichts mehr. Miriam Hoffmeyer

Bis 31. 5., Mi–So, 20 Uhr, Ufa-Fabrik, Viktoriastraße 13–18