Mauri darf nicht gehen!

■ Aufstieg vielleicht im Jahr 2000: Ein 3:1 gegen Hertha BSC Berlin erhält der Frankfurter Eintracht immerhin die 2. Liga

Frankfurt/Main (taz) – „Mauri, du darfst nicht gehen!“ Mit Tränen in den Augen flehten die AnhängerInnen der Eintracht aus Frankfurt den schönen Maurizio Gaudino nach dem mit 3:1 gewonnenen Spiel gegen die Hertha aus Berlin am Montag abend an, doch noch eine Saison für die Eintracht in der 2. Bundesliga zu spielen. Zwei entzückende Tore hatte „Mauri“ zuvor (18. und 52. Minute) geschossen und die Mainischen damit wohl endgültig vor dem Abstieg gerettet. Und auch am dritten Tor war der Sohn italienischer Einwanderer aus Elba maßgeblich beteiligt. Seinen schnellen Vorstoß in die Berliner Spielhälfte schloß Weidemann (Hertha), nach Flanke von Schnur (Eintracht), in der 80. Minute mit einem unhaltbaren Schuß auf das Tor von Fiedler (Hertha) vorbildlich ab. Daß Axel Kruse in der 35. Minute den vorübergehenden Ausgleich zum 1:1 per Kopfball erzielen konnte, interessierte da auf den Rängen unter den rund 13.000 schon längst niemanden mehr.

Hinspiel gegen Hertha mit 2:1 gewonnen. Rückspiel gegen Hertha gewonnen. Die maximale Punktzahl von sechs haben die Berliner den Frankfurtern überlassen: „Abstieg ade dank Hertha BSE.“ Das Eigentor von Weidemann – ein Wahnsinnsgeschenk. „Tief enttäuscht“ von der Leistung seiner Mannschaft war denn auch Coach Jürgen Röber. Der Aufstieg von Ufa-Hertha in die Eliteliga ist zwar immer noch sehr wahrscheinlich, aber nicht mehr sicher. Noch fünf Spiele. Und nur fünf Punkte Vorsprung auf VW-Wolfsburg. „Wir wollten es ein bißchen spannend machen“, sagte Röber nach dem Match sarkastisch.

„Mauri, du darfst nicht gehen!“ Auch Gaudino hatte Tränen in den Augen, als er nach dem Spiel seinen „zu 90 Prozent sicheren“ Abgang zum FC Basel vermeldete. Einen Tag zuvor hatte „Mauri“ allerdings noch einen Wechsel-Sicherheitskoeffizienten von „99,9 Prozent“ angegeben. Noch Hoffnung am Riederwald? Immerhin war es dem Schatzmeister gelungen, diverse Sponsoren an Land zu ziehen, die Gaudino das Bleiben vergolden sollten. „Hochinteressant“ sei dieses Angebot gewesen, sagte Gaudino selbst. Doch „Mauri“ hat keinen Bock mehr: nicht auf die Stadien in Jena oder Unterhaching, wo sie ihn als „Autoschieber“ und „Mafioso“ schmähen. Und nicht mehr auf die elende Rackerei in der 2. Liga. Der Filigrantechniker war die strahlende Perle, die Wochenende für Wochenende von Gladiatorenschleifer Horst Ehrmanntraut (Kämpfen, kämpfen, kämpfen!) vor die Säue geworfen wurde.

Ebenfalls die Eintracht verlassen wird Marco Rossi, der an diesem Montag als Libero eine Galavorstellung bot. Ginge der nicht höchstwahrscheinlich nach Brescia in die 2. italienische Liga, wäre das leidige, eine ganze Saison andauernde Liberoproblem eigentlich erledigt. Denn nie war der am Montag gesperrte Hubtschev besser als Rossi an diesem Abend gegen Hertha. Auch Matthias Becker geht – zum VfB Stuttgart. Becker weinte keine Träne. Und keiner aus dem Team und von den Rängen wird dem arroganten Becker eine Träne nachweinen. Der Stürmer spielte egoistisch – und eigentlich gegen die Mannschaft: „Becker raus!“ skandierten die ZuschauerInnen. Becker weg. Ein Ersatz für Giovanne Elber?

Was aber wird werden aus der ruhmreichen Eintracht, die noch vor drei Jahren im Uefa-Cup gegen Juventus Turin spielte? Was soll schon werden aus einer Mannschaft, die von einem Mann mit dem Charisma eines Knäckebrots mit abgelaufenem Verfallsdatum trainiert wird, der an diesem Montag – nach übereinstimmenden Zeugenaussagen – zum erstenmal gelacht hat? Eine auf Kampf programmierte Truppe, die ihren Überlebenswillen in der 2. Liga demonstrieren wird. Und der eigentlich schon für diese Saison angepeilte Wiederaufstieg? Ist verschoben bis zur Saison 1999/2000. Da wird die Eintracht 100 Jahre alt. Klaus-Peter Klingelschmitt