■ Shell-Studie: Die SPD hat bei der Jugend schlechte Karten
: Zu wenig Pop, zu wenig Gemeinsinn

Es ist nicht bekannt, ob die neuesten Forschungsergebnisse zu den Gefühlen und Haltungen der hierzulande lebenden Jugendlichen in SPD-Kreisen überhaupt zur Kenntnis genommen werden. Aber es steht zu vermuten, daß man das Zahlenwerk im Erich-Ollenhauer-Haus am liebsten schnell verdrängen möchte. Denn allein der Befund zur Parteienaffinität Jugendlicher müßte die gesamte Sozialdemokratie – inklusive ihrer Juso-Abteilung – depressiv stimmen.

Seit 1991 sank die weltanschauliche Zustimmung zur SPD von eh schon kümmerlichen 24 auf mitleidige 19 Prozent. Zugleich verdoppelte sich die Quote der CDU-Zuneigenden von 13 auf 21 Prozent. Die Grünen dümpeln fast gleichbleibend bei 15 Prozent. Ist es da für die SPD ein Trost, daß die FDP von den Kids gar nicht alright gefunden und deshalb mit Nichtwahrnehmung bestraft wurde?

Tatsächlich besagen diese Zahlen, daß schon die Wahl zwischen Schröder und Lafontaine von den bald Wahlberechtigten als eine zwischen Pest und Cholera empfunden wird: Sie wirken ebenso graumäusig politikertypisch wie eigentlich alle, die von den Jugendlichen für eine komatöse Politik verantwortlich gemacht werden. Dieses Prädikat trifft zwar auch die CDU – aber die, die Partei des bundesdeutschen Realismus schlechthin, sitzt immerhin an den Fleischtöpfen, sie hat die Posten und Pöstchen, die die Jugendlichen einmal erben wollen.

Der SPD hingegen wird alles, nur kein brillanter, mitreißender und popfähiger Zukunftsentwurf zugetraut. Sie ist offenbar keine glaubwürdige, realistische Alternative zur christliberalen Regierung. Sie weiß nichts zu sagen zu dem Problem, das jetzt auch schon Jugendliche als das Schlimmste erkennen: das der Arbeits- und damit Perspektivlosigkeit.

Aber da hat die SPD nur papierne Programme zu bieten. Zudem profitiert sie kein Stück von den Werten, die bei Jugendlichen immer noch angesagt sind – die Umwelt, die Menschenrechte, Gerechtigkeit. Die SPD weiß – anders als Blairs New Labour – nicht darauf zu reagieren, daß die meisten Jugendlichen mehr Gemeinsinn haben als Erwachsene. So steht die SPD nicht für Gerechtigkeit und Miteinander, sondern für die Verwaltung des Gerechten. Das ist nicht nur nicht sexy, sondern vor allem zuwenig, um die Wahl eines SPD-Kanzlerkandidaten aus dem bekannten Trio realitätstauglich erscheinen zu lassen.

Jan Feddersen