Vorhang auf im Teatro Massimo

Nach 23 Jahren Spielpause ist Palermos großes Opernhaus wieder geöffnet. Jahrelang hatte die Mafia die Renovierung behindert. Sie soll auch jetzt wieder ihre Hand im Spiel haben  ■ Aus Rom Werner Raith

Daß sich das Haus überhaupt jemals wieder öffnen würde, hatten nicht nur professionelle Pessimisten angezweifelt. Zu lange hatten die Schilder „Achtung Einsturzgefahr“, „Achtung Renovierungsarbeiten“, aber auch Graffiti wie „Reißt den Scheißbau ab“ das Teatro Massimo von Palermo „geziert“.

Doch nun ist es, nach 23 Jahren Spielpause, wieder da. Mit einer triumphalen Eröffnungsgala, in deren Mittelpunkt aber nicht die (ebenfalls angetretenen) heimischen Chöre und Musiker standen, sondern die illustren Berliner Philharmoniker, freilich unter der Leitung des „Quasisizilianers“ (Eigendefinition) Claudio Abbado.

Wem es zu verdanken ist, daß das Opernhaus nun wieder seinen Verdi und seinen Rossini aufführen darf (und natürlich Abbados Liebling Mahler), ist nicht so ganz klar. Sicher ist zwar, daß vor allem mafiose Händel die Renovierung des 1974 wegen „dringender Umbau- und Sicherungsarbeiten“ geschlossenen Musentempels immer wieder verzögert haben.

Nach bewährter Manier verlangten die Unterweltler zuerst von den regulären Auftragnehmern des Umbaus Schutzgelder, verdrängten dann diese Firmen und setzten sich an ihre Stelle. Danach wuchsen die angeblich notwendigen Millionenbeträge für die Arbeiten von Jahr zu Jahr weiter an, ohne daß bis Anfang der 90er Jahre entschlossene Handwerker überhaupt gesichtet worden wären. Zwischenzeitlich verwahrte sich dann die Antimafiakommission gegen weitere Auftragserteilungen. Die Staatsanwälte verhafteten reihenweise die beteiligten Bauunternehmer und auch manchen Stadtdezernenten und Regionalpolitiker. Die Oper wurde zu einem Symbol der Unfähigkeit im Kampf gegen die Mafia.

Aber nun steht sie wieder. Und den ganzen Ruhm dafür heftet sich der derzeitige Oberbürgermeister Leoluca Orlando an sein Hemd. Tatsächlich brachten ihm die Gäste im Opernhaus „von den obersten Stehrängen bis zu den illustren Logeninhabern, wie die italienische Tageszeitung la Repubblica schrieb, minutenlange Ovationen dar. Und das genießt das vormalige Symbol des Antimafiakampfes natürlich schon deshalb ganz besonders, weil sein Stern inzwischen ziemlich verblaßt ist und es ihm an anderen Erfolgen gänzlich mangelt.

In einem halbem Jahr ist Neuwahl, und Orlandos bisherige Parteigänger sind ihm reihenweise untreu geworden. Jetzt aber kann sich der jahrelange Liebling der Auslandspresse doch wieder sehen lassen, jedenfalls, wenn er nicht allzuweit weg vom Teatro Massimo abgefilmt wird.

Dabei war Orlandos Verhältnis zum Teatro Massimo eigentlich immer eher gespannt: Als er 1985 erstmals Bürgermeister von Palermo wurde, ließ er nach kurzer Überlegung das Projekt zunächst einmal ganz fallen: „Da in dieser Angelegenheit bereits so viele mafiose Hände im Spiel sind, sehe ich mich außerstande, eine korrekte Auftragserteilung durchzuführen, und gebe die Aufträge an die Regionalverwaltung Siziliens zur weiteren Bearbeitung ab“, lautete am Ende sein Entschluß.

Diese Entscheidung war für ihn fatal. Er zog sich Anfang der 90er Jahre eine Anklage wegen Amtsmißbrauchs zu. Nach Ansicht des Staatsanwalts darf ein Bürgermeister einen städtischen Auftrag auch dann nicht delegieren, wenn er weiß, daß er nicht korrekt entscheiden kann. Immerhin: in erster Instanz wurde Orlando dann doch freigesprochen.

Dieses, für ihn positive Urteil, hat ihn wohl wieder auf den Geschmack gebracht. Plötzlich konnte er doch entscheiden. Was nun vollbracht wurde, geschah in Rekordzeit. Die Bauarbeiten dauerten nicht einmal eineinhalb Jahre.

Allerdings, nun braut sich im Hintergrund schon wieder Unmut zusammen. Einige aufmerksame, manche Kritiker sagen auch übelwollende, Staatsanwälte sind gerade eben wieder dabei nachzugucken, ob nicht eventuell auch bei den nun so zügig durchgeführten Arbeiten die eine oder andere Firma zugange war, deren stille Teilhaber aus der Welt der „ehrenwerten Gesellschaft“, vulgo Mafia, kommen.

Und dann wäre der Gefangenenchor aus Nabucco, mit dem die Eröffnungsgala begann und auch endete, für Orlando erneut nur die Illusion eines im System Eingeschlossenen gewesen – „flieg, Gedanke, getragen von Sehnsucht...“.