Dope vor Verfassungsgericht

■ Ein grüner Stadtrat aus Remscheid führt die Justiz vor: Wegen 3,29 Gramm Marihuana bis vor das Bundesverfassungsgericht

Berlin (taz) – Die Polizei klingelte morgens um 9 Uhr. Die Ordnungshüter kamen zu dritt, ohne Drogenhund, aber mit einem Pressesprecher. Der 24jährige Zivildienstleistende Georg Wurth öffnete im Schlafanzug und bot heißen Kaffee an. Die Beamten lehnten ab, blieben aber „sehr nett“ (Wurth). Was sie suchten, war unschwer zu finden. Der Wohnungsinhaber hatte sie selbst auf die Fährte gesetzt. Wenige Tage zuvor hatte er ihnen mitgeteilt, daß sich in seinem Küchenschrank „gut sichtbar, oben links“ zirka vier Gramm Marihuana befänden. Für den Fall einer Hausdurchsuchung wollte Wurth vorsorglich „einen Termin vereinbaren“. Die Beamten dürften aber auch unangemeldet kommen und sich über den „freundlichen Hausmeister“ Zutritt verschaffen. Sie kamen prompt und stellten amtlich abgewogene 3,29 Gramm Marihuana sicher.

Die Beschlagnahme hatte Folgen. Was als inszenierte Selbstanzeige des grünen Drogenpolitikers begann, hat inzwischen das Amtsgericht Remscheid, das Landgericht Wuppertal, dann wieder das Amtsgericht Remscheid, zuletzt das Oberlandesgericht Düsseldorf, beschäftigt. Jetzt muß das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden. Wurth geht in die letzte Instanz. Soviel Publicity hätte sich der gelernte Diplomfinanzwirt nicht träumen lassen. Eigentlich wollte er mit seiner Aktion nur den Drogenalltag in Deutschland ein wenig demaskieren: 40.000 Alkoholtote im Jahr, aber wegen 3 Gramm Marihuana eine Hausdurchsuchung machen. Wurth hatte fest mit der üblichen Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit gerechnet. Doch dann kam alles ganz anders.

Der Remscheider Amtsrichter Sauter lehnte zwar einen Prozeß zunächst ab, weil der „Schuldgehalt“ des Angeklagten gering sei. Doch dem Staatsanwalt war diese Haltung zu lasch. Er legte Widerspruch ein – und hatte Erfolg. Das Landgericht Wuppertal verwies den Fall zurück ans Amtsgericht und ordnete die Eröffnung des Hauptverfahrens an. Die Rechtssprechung sehe zwar eine Einstellung des Verfahrens vor, wenn es sich um eine geringe Menge Cannabis für den Eigenverbrauch handele. Im Falle von Wurth sei das Marihuana aber nicht zum Eigenverbrauch, sondern zum politisch demonstrativen Akt einer Selbstanzeige bestimmt gewesen. Mit diesem juristischen Klimmzug hatte die Remscheider Staatsanwaltschaft Erfolg.

Amtsrichter Sauter mußte verhandeln. Er würdigte die „moralisch wertvolle Aktion“ des Politikers, sprach aber eine Strafe aus. Das mildeste aller denkbaren Urteile erkannte auf 600 Mark, zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Wurth freute sich über die juristische Rarität einer Geldstrafe auf Bewährung, sah aber nicht ein, daß gerade in seinem Fall eine Ausnahme gemacht und auf die Einstellung des Verfahrens verzichtet wird. Den Politzuschlag wollte er nicht akzeptieren und ging deshalb in die Revision beim Oberlandesgericht Düsseldorf. Dort wurde das Urteil bestätigt: Ein „Rechtsfehler“ zum Nachteil des Angeklagten sei „nicht erkennbar“.

Doch der grüne Remscheider Stadtrat steckt nicht auf. Also wird er „noch ein bißchen Geld sammeln und dann Verfassungsbeschwerde einlegen“. 1.500 Mark muß er an Spenden zusammenbekommen. Die Chancen für einen Erfolg seien „nicht gerade riesig“. Aber gerade Karlsruhe habe in einem Grundsatzurteil zu Cannabis ausdrücklich neue Wege in der Drogenpolitik angemahnt. Wurth: „Seitdem ist nichts passiert.“ Manfred Kriener