Rußlands Föderationsrat will Beutekunst behalten

■ Zweite Parlamentskammer überstimmt mit großer Mehrheit das Veto des Präsidenten. Jetzt will Jelzin die Frage vom Verfassungsgericht klären lassen

Moskau (taz) – Der Föderationsrat, das Oberhaus des russischen Parlaments, hat sich gegen eine Rückgabe der sogenannten Beutekunst ausgesprochen. Das Gremium, dem die Gouverneure der einzelnen Regionen des Landes angehören, überstimmte ein Veto Präsident Jelzins mit deutlicher Mehrheit. 136 der 175 Mitglieder sprachen sich dafür aus, die Kunst in Rußland zu belassen. Gemäß der Verfassung wären 119 Stimmen nötig gewesen. Die Abstimmung wurde zum erstenmal schriftlich abgehalten.

Jelzin hatte versucht, mit dem Veto das von der Duma eingebrachte Gesetz doch noch zu Fall zu bringen. Er begründete den Schritt im März damit, daß das Gesetz internationalen Normen nicht entspräche. Gleichzeitig warnte er die Abgeordneten davor, Rußlands Position in den Gesprächen mit den betroffenen Ländern zusätzlich zu belasten. Neben Deutschland erheben auch Frankreich, Liechtenstein, Polen, Ungarn und die Niederlande Ansprüche – Staaten, die selbst Opfer des Faschismus wurden oder sich neutral verhielten.

Die Gouverneure zeigten sich von der Argumentation des Präsidenten jedoch nicht sonderlich beeindruckt. Der Föderationsrat in seiner alten Zusammensetzung hatte sich vor gut einem Jahr noch für eine Rückgabe stark gemacht. Nach den Regionalwahlen im vergangenen Herbst zogen Kräfte ein, die Präsident und Regierung kritischer gegenüberstehen. Offenkundig hatte die Administration des Kreml in letzter Minute noch einige Anstrengungen unternommen, um die Gebietsleiter umzustimmen. Ohne großen Erfolg. Lediglich 15 Vertreter ließen sich angeblich bekehren.

Innerhalb der nächsten sieben Tage muß Präsident Jelzin das Gesetz unterzeichnen und im Gesetzesblatt veröffentlichen lassen. Voraussichtlich wird sich der Kremlchef danach an das Verfassungsgericht wenden, um eine endgültige Erklärung herbeizuführen. Das sieht nach einer langwierigen Prozedur aus, die dem Kreml möglicherweise gar nicht ungelegen kommt. Sollte das Gericht das Gesetz für verfassungswidrig erklären, dürften Abgeordnete versuchen, dem Präsidenten anderweitig Schwierigkeiten zu machen. Selbst nach einem positiven Entscheid würde das Gesetz erneut dem Parlament vorgelegt, das die Angelegenheit längst zu einer Prinzipienfrage erhoben hat. Jedes geringfügige Zugeständnis wäre aus Sicht der Abgeordneten ein Schwächebeweis – internationales Recht hin oder her. Nun besteht nur noch die Hoffnung, daß künftige Generationen mit den Trophäen leidenschaftsloser verfahren. Klaus-Helge Donath