Haschisch kommt nicht in die Tüte

■ Gesundheitsminister Horst Seehofer prescht vor und lehnt das Kieler Modell eines Apothekenverkaufs von Cannabis ab. In Kiel und Berlin ist man verwirrt: Seehofers Fachbehörde ist eigentlich noch im Stadium der Prüfung

Berlin (taz) – Haschisch? Nicht mit Horst Seehofer (CSU). Der Bundesgesundheitsminister stoppte gestern erwartungsgemäß das wissenschaftliche Modellprojekt des Landes Schleswig-Holstein für einen zeitlich und räumlich begrenzten Verkauf von Haschisch in Apotheken. Der Antrag der Kieler Gesundheitsministerin Heide Moser (SPD) für eine Ausnahmeregelung vom Betäubungsmittelgesetz werde abgelehnt, kündigte Seehofer an. Den entsprechenden Negativbescheid werde die schleswig-holsteinische Landesregierung „in den nächsten Wochen“ zugestellt bekommen.

Mit seiner Erklärung preschte Seehofer weit vor und sorgte für erhebliche Verwirrung: Während der Minister in Bonn bereits die Ablehnung verkündete, steckt die zuständige Fachbehörde des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte noch mitten in der Arbeit. Das Berliner Amt, dessen Dienstherr Seehofer ist, hat die Bewertung des Kieler Vorhabens noch nicht abgeschlossen. „Der Antrag wird bei uns noch bearbeitet“, sagte gestern die Behördensprecherin Karin Günther verwundert.

„Überaus merkwürdig“ fand es auch Ministerin Moser, daß „ein Minister einen ablehnenden Beschluß bekanntgibt, bevor er formuliert, begründet und dem Antragsteller zugeleitet ist“. Moser sieht sich in ihrer Vermutung bestätigt, daß „die Ablehnung schon lange beschlossene Sache ist“ und daß es dabei nicht nach sachlichen, sondern nach politisch-ideologischen Überlegungen gehe. Sie lehnte jede weitere Stellungnahme ab. Sie könne erst dann etwas zu der Entscheidung sagen, wenn sie wisse, warum das Bundesinstitut ablehnt.

Seehofer hatte das Modellprojekt zur Trennung der Märkte von harten und weichen Drogen vor Bonner Journalisten als „faktische Freigabe“ von Haschisch bezeichnet. Das Apothekermodell wäre zudem ein „verheerendes Signal“ für alle Präventionsbemühungen. Ausnahmen vom Betäubungsmittelgesetz könnten zudem nur vom Gesetzgeber zugelassen werden. Schon vor Wochen hatte Seehofer erklärt, daß diejenigen, die in der Drogenpolitik mit einer Freigabe experimentierten, „nicht alle Tassen im Schrank“ hätten. Die Kieler Haschischpläne gehen auf eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zurück. Karlsruhe hatte im April 1994 verfügt, daß kleine Mengen von Cannabis zum Eigenverbrauch nicht mehr strafbar seien. Zugleich hatten die Richter den Gesetzgeber aufgefordert zu prüfen, „ob und inwieweit die Freigabe von Cannabis zu einer Trennung der Drogenmärkte führen und damit zur Eindämmung des Betäubungsmittelkonsums insgesamt beitragen kann“. Daraufhin hatte die Gesundheitsministerkonferenz der Länder Moser beauftragt, ein Modellprojekt auszuloten.

Nach den Kieler Plänen sollte in einigen wenigen Apotheken des Landes Haschisch in Kleinstmengen bis zu fünf Gramm zu kaufen sein. Ein wissenschaftliches Begleitprogramm sollte die Auswirkungen dieses Experiments untersuchen. Cannabis-Käufer müßten mindestens 16 Jahre alt sein.

Im Berliner Arzneimittelinstitut wird das Kieler Vorhaben keineswegs einheitlich abgelehnt, wie zu erfahren war. Das Amt hatte schon mit seiner Stellungnahme zu den „Auswirkungen des Haschischgenusses auf die physische und psychische Gesundheit“ ein differenziertes Urteilsvermögen erkennen lassen. Kernsatz dieser Expertise: „Insgesamt ist das Risiko, schwerwiegende und bleibende Schädigungen der Gesundheit durch zeitweiligen Haschischgenuß zu erleiden, gering dokumentiert.“

Horst Seehofer und der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Eduard Lintner (CSU), hatten gestern ihren Drogenbericht im Kabinett vorgelegt. Anschließend gingen sie vor die Presse. Beide machten deutlich, daß sich an ihrer Prohibitionspolitik auch künftig nichts ändern wird.

Alle Pläne zur Freigabe von Cannabis werden ebenso abgelehnt wie die in Hamburg geplante ärztlich kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige oder die Einrichtung von Fixerstuben. Lintner kritisierte zudem die Praxis einiger Länder, den Besitz von angeblich bis zu 30 Gramm Cannabis nicht mehr zu verfolgen. Manfred Kriener

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