In die Tasten der Kinderzeit

■ Amerikas zeitlose Geheimwaffe gegen kontinentalen Postrockismus: Servotron fertigen Wave aus der Steckdose

1976 kauften sich vier Jünglinge von der Kunsthochschule in Cleveland/Ohio eine Familienpackung gelber Antikontaminationsanzüge und probten, wie man eine Rockband zum Modul eines kybernetischen Automaten werden läßt. Aus Gitarren wurden allmählich Hüllkurvengeneratoren, und Devo waren mindestens drei Platten lang die beste Band der Welt.

Dann überfielen erneut röhrenverstärkerbeschwerte Horden den Planeten und klopften die Menschheit mit schweren Akkorden im Viervierteltakt weich. Bis diese sich – wir schreiben das Jahr 1997 – ermattet den schmeichelnden Tönen von retrofuturistischem Minimalpop und den Geräuschparfümen feinsinniger Postrock-Gestöber ergibt.

In den Musikalienhandlungen dieser Welt drängeln sich heute junge Menschen, die früher für eine alte amerikanische Gitarre ihre Mutter verkauft hätten, um verbeulte Rhythmusbegleitautomaten oder quäkende Tasteninstrumente ihrer Kinderzeit. Doch etwas in ihnen ruft nach Rock'n'Roll, und sie fragen sich: „Warum stehen wir in letzter Zeit vor der Konzertbühne immer wie vor einem Aquarium? Warum kiffen wir so viel? Können wir nicht wieder mehr Alkohol trinken und Pogo tanzen?“

Die Lösung des Problems kommt aus den geheimen Fertigungsstraßen des CIA und heißt Servotron: Vier Roboter im Design von Menschen, die sich als Roboter verkleidet haben, die New Wave spielen können. Bierspritzerabweisende Benutzeroberfläche und hochleistungsfähige Hookline-Chips, die Gitarre am einen, den Moog am anderen Greifarm: Amerikas Geheimwaffe gegen kontinentalen Postrockismus. Neben der bewährten Devo-Software kommen auch Bauteile aus Prozessoren der SciFi-Surfkapelle Man Or Astroman zum Einsatz. Um die Rücckehr der Androiden in die Welt der Popularmusik zu verhindern, hilft nur eins: Zum Konzert gehen und wiederholt „Format C“brüllen.

Christoph Twickel Sa, 17. Mai, 21 Uhr, Markthalle