Mitten im blauen Raum

■ Alex Paterson machte mit The Orb Ambient-House als Witz populär

Es gibt, so sagt man, nur ein Leben. Und nur wenige sind in diesem einen Leben in der Lage, auch nur ein einziges Mal etwas zum künstlerischen Fortkommen beizutragen. Alex Paterson ist das mit The Orb gelungen. Zusammen mit seinem Schulkameraden Youth, seines Zeichens Bassist von Killing Joke, gelang es ihm, Ambient-House weithin bekannt zu machen – was für einen kurzen Moment eine bessere Welt oder doch zumindest einen besseren Musikgeschmack verhieß.

Denn mit Uforb gelang es den beiden, ausufernde Klanglandschaften, die sich gegen gängige Formate stemmten, ohne Umwege in die Charts zu hieven. Lange Intros, Meeresrauschen, Fiepen, sich ganz gemächlich entwickelnde Themen – all das wird gemeinhin genausowenig mit Massenerfolg in Verbindung gebracht wie „The Blue Room“, jene mit knapp 40 Minuten längste jemals gepreßte Single. Paterson ließ sich schon immer viel Zeit.

Doch mit der Wahl seiner Partner – denn The Orb waren immer nur Arbeitsbeziehungen zu anderen Musikern – hatte er weniger Glück. Gelang es Youth noch, genügend Popappeal in Patersons eklektische Studiotüfteleien zu bringen, schien Thomas Fehlmann (Ex-Palais Schaumburg) eher eine verquere Vorstellung von Avantgarde durchzudrücken, die in der mittelalterlichen Esoterik von Orbus Terrarum ihren Höhepunkt fand. Mit deutschtümelnden oder latinisierten Titeln, die weniger exotisch als kindsköpfig wirken, suchten The Orb vor zwei Jahren den Schulterschluß mit hochkulturellen Chiffren.

Irgendwo muß Paterson gehört haben, daß repetitive elektronische Musik etwas mit Klassik zu tun habe. Jedenfalls tauscht er den fröhlichen Raubzug der Anfangstage gegen ziemlich überladene Soundscapes. Statt Songs voller Hintertüren zu schreiben, verfaßten The Orb nun Stimmungsmusik. Allein sein handfester Humor rettet Paterson nun noch davor, gänzlich an die verquaste Mystik mancher Goaknaben anzuschließen.

So gelingt es ihm, mit Andy Hughes und Thomas Fehlmann, auch auf Orblivion gelegentlich mit Hupen, Musical-Intros und anderen Gimmicks den bedeutungs-schwangeren ambienten Tonfall ironisch zu brechen. Das hat zwar nicht mehr die integrative Kraft der „Little Fluffy Clouds“und wirkt, verglichen mit der gegenwärtigen Generation von Elektronikbastlern, direkt bieder und verschlafen. Aber wer schafft es schon, zweimal in einem Leben popmusikalische Initialzündungen herbeizuführen?

Volker Marquardt Di, 20. Mai, 21 Uhr, Docks