Rot-Schwarz ohne Rechenschieber

■ Hamburgs Koalitions-Astrologen üben sich schon vier Monate vor der Bürgerschaftswahl fleißig im Prozentrechnen

„Der SPD und uns fehlen derzeit zusammen gerade noch drei Prozent in den Umfragen. Wir brauchen zusammen 47 Prozent – das würde reichen.“Für den FDP-Spitzenkandidaten Frank-Michael Wiegand gibt es nur Rot-Gelb und sonst gar nichts. Er weiß dabei SPD-Bürgermeister Henning Voscherau klammheimlich auf seiner Seite, der schon einmal als Stadtchef so vergnügt die rot-gelben Fäden zog, daß er 1991, überraschend plötzlich mit der absoluten Mehrheit der Mandate ausgestattet, der FDP das Mitregieren anbot, um seine Parteilinke besser unter Kontrolle zu halten.

CDU-Hoffnung Ole von Beust hegt da ganz andere Träume: Um mit der SPD gleichziehen zu können, ist er auf eine schwache FDP und eine starke GAL – in der Größenordnung von 17 bis 22 Prozent – angewiesen. Beim internen Wahlziel von über 35 Prozent hofft von Beust, die SPD könne saftig unter die 40-Prozent-Mauer rutschen.

Ob es allerdings wirklich klug wäre, die SPD an Mandaten zu überholen, ist in der Union umstritten: Die SPD könne, so warnen einige, bei einer derartigen Blamage in eine rot-grüne Koalition flüchten. Deshalb geht die CDU, von Hamburger Abendblatt und Handelskammer lautstark dazu ermuntert, auf Schmusekurs gegenüber Voscherau. Denn Rot-Schwarz braucht keinen Rechenschieber. Gemeinsam reicht es mindestens für eine Zwei-Drittel-Mehrheit

Sorgenvolle Mienen dagegen bei der GAL. Ein Überspringen der der 20-Prozent-Hürde würde das Mitregierendürfen nicht wahrscheinlicher machen. Spitzenkandidatin Krista Sager fürchtet gleich zweierlei: „Wir siegen uns einerseits zu Tode, andererseits steigen die Ansprüche an uns natürlich. Wir stoßen langsam an die Grenzen unserer Ressourcen.“

In der SPD ist Prozentrechnerei derzeit Chefsache. Und Henning Voscherau mißt, man kennt das langsam, mit zweierlei Maß: Verhalten sich die Bürger vernünftig und realistisch, so meint Voscherau, dann müssen sie ihm persönlich erneut ihre Stadt anvertrauen. Aber, so schwant ihm: „Der Wähler ist ja souverän. Er muß dann mit dem Ergebnis leben, das er gewählt hat. Er soll sich dann nicht beschweren.“ Florian Marten